Im Auftreten schillernd, vom Naturell her exzentrisch, war Lou Albert-Lasard der Mittelpunkt einer jeden Künstlerszene: in München und Ascona, Berlin und Paris, woran sich auch der Pariser Modephotograph Willy Maywald noch viele Jahre päter Lebhaft erinnert hat: "Lou Albert-Lasard, eine der Freundinnen von Rainer Maria Rilke, hatte damals viel Erfolg in Paris. Man sah sie oft im "Café du Dôme" mit ihrer Tochter, der schönen Ingo. Man konnte sie nicht übersehen, denn sie war eine der extravagantesten Erscheinungen, die ich je in meinem Leben gesehen habe. In rote Fuchspelze gehüllt, trug sie auf ihren brandroten Haaren die ausgefallensten Hüte, etwas aus Moos oder ganz aus Hahnenfeder".
„Als ich nach Weimar kam (1923), konnte niemand photographieren. Die einzige, die photographieren konnte, war Lucia Moholy, die hatte es gelernt. Und ich auch. Ich konnte ja photographieren.“ (Gertrud Arndt, Darmstadt 1993)
Wer im Bauhaus zur Kamera griff, war von dem maschinellen Zauber fasziniert, Realität und Gestaltung oder wie die Bauhäusler selbst sagten Kunst und Leben auf neue Weise zu verbinden. In Kellern und Badezimmern wurden behelfsmäßige Dunkelkammern eingerichtet und wer nicht mit der billigen 9 x 12 cm Box fotografierte, sparte, um sich den Luxus einer Voigtländer, einer Ermanox oder von 1925 ab eine handliche Leica leisten zu können.
Es ging um die Lust der Entdeckung, nicht um das Ergebnis, so dass ein großer Teil der Fotografien sofort auch wieder verworfen wurde. Sie fotografierten nebenbei und vor allem aus Spaß. Die Welt mit neuen Augen zu sehen, dafür standen die neuen technischen Apparate wie die Fotokamera und der Film. Gertrud Arndt hat sich ein Leben lang an den ungeheuren Eindruck erinnert, den Eisensteins Filme durch die ungewohnten Perspektiven und die Nahaufnahmen hinterließen. „Die Nahaufnahmen waren es, die uns an Potemkin so faszinierten“. (1993)
1903 in im oberschlesischen Ratibor geboren, überrascht die Bauhäuslerin Gertrud Arndt mit einem ungewöhnlichen Lebensweg. Von der Avantgarde der Zwanziger Jahre fasziniert und ein Leben lang geprägt, geht sie – für eine Frau ihrer Generation eine Ausnahme - in Erfurt zu dem Architekten Karl Meinhardt in die Lehre. Hier kam sie zum ersten Mal mit Fotografie in Kontakt: Sie ging dem Architekten zur Hand, der für ein Dokumentationsbuch die Architektur der Stadt zu fotografieren hatte – für beide ein ungeübtes Terrain.
1920 nimmt Gertrud Arndt mit einem Stipendium die Ausbildung am Bauhaus Weimar auf. Sie will Architektin werden und findet einen Kurs für Baulehrer vor. Wohl nicht ganz aus freien Stücken, wechselt sie dann aber in die Werkstatt für Weberei. Der Architekturbereich war für Frauen nicht vorgesehen ebenso wie ihnen auch der Zugang zur Metallwerkstatt nicht möglich war.
Künstlerinnen A - E
Die Photographin Ursula Arnold (1929-2012) gehört zu den wichtigsten Nachkriegs-Photographinnen und Photographen in der DDR. Neben Evelyn Richter und Arno Fischer, die gerade in den letzten Jahren an Bekanntheit gewannen, ist das Werk Ursula Arnolds noch unbeachtet.
Mit dieser umfassenden Einzelausstellung, beginnend in den Räumen des Vereins DAS VERBORGENE MUSEUM und einem angegliederten Teil in der Galerie "argus fotokunst", Berlin, sollen nun der Öffentlichkeit die Arbeiten der Photographin mit begleitender Publikation vorgestellt werden.
Ursula Arnold (1929-2012) ist mit der Photographie aufgewachsen. Ihr Vater, der Photograph Walter Musche betrieb in Gera ein Atelier. Die Tochter Ursula absolvierte ihre praktische Ausbildung in Weimar bei Harry Evers, einem Schüler von Walter Hege. Im Anschluß daran stand 1950 ihre Entscheidung, an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig das weiterführende Studium aufzunehmen, zur Vervollkommnung und um als freie Photographin tätig zu sein.
Die Zeit an der Hochschule bis zum Diplom 1955 sieht Ursula Arnold als wenig inspirierend und enttäuschen an. Denn die Anfang der 50er Jahre einsetzende Formalismusdebatte beeinträchtigte die Freiheit der Lehre innerhalb des Photographie-Studiums beträchtlich.
An eine freie kreative Umsetzung ihrer Vorstellungen einer Bildwelt, die sich an der Wirklichkeit orientiert, war nicht zu denken. Experimente waren nicht gestattet, endeten gar im Schulverweis. Die Lehre hielt sich streng an staatlichen Vorgaben und sollte münden in der pathetischen Bildwelt vom Staats-Aufbau.
Arnold absolviert die Ausbildung, will sich aber dem offiziellen Programm nicht anschließen. Eine Gleichgesinnte findet sie in Evelyn Richter, die 1953 an die Hochschule kommt. Mit der Freundin und Kollegin findet der intensive Austausch über Photographie statt.
Gegen inhaltliche Bevormundung und Intoleranz gründeten junge Photographinnen und Photographen 1955 in Leipzig die Gruppe »action fotografie«. Arnold und Richter sind dabei, Renate Rössing, Roger Rössing, Günter Rössler, Friedrich Bernstein, Barbara Haller u.a.
Biografie
EinzelAusstellung: 2000
Künstlerinnen: A- E
Beteiligung an der Ausstellung des DAS VERBORGENE MUSEUM
Künstlerinnen im Dialog 3 | 2017
Die späten Jahre der Weimarer Republik markierten die erste Blütezeit des modernen Fotojournalismus. Eine besondere Rolle spielte dabei die Berliner Bildagentur »Dephot« (»Deutscher Photodienst«), die als eine Schule des modernen Fotojournalismus gilt. Ihre Reputation ist vor allem auf ihre Protagonisten zurückzuführen, allen voran auf den Agenturgründer und -leiter Simon Guttmann und eine außergewöhnliche Equipe talentierter junger Fotografen, zu der neben Otto Umbehr, Felix H. Man, Harald Lechenperg und Robert Capa (eigentlich Endre Friedman) auch Käthe Augenstein (1899–1981) gehörte.
Die gebürtige Bonnerin zählt zu den wenigen erfolgreichen Berliner Pressefotografinnen jener Zeit. Nach bisherigem Forschungsstand ist sie die einzige Fotografin, die in bedeutendem Umfang für die »Dephot« gearbeitet hat.
Erst seit der neuerdings detaillierten Sichtung des Nachlasses der Fotografin Maria Austria (1915-1975) ist ihr umfangreiches Werk erschlossen. Mit ca. einhundert Schwarz-Weiß-Fotografien und Dokumenten zeigt Das Verborgene Museum eine Auswahl der Ausstellung, die zuerst im Joods Historisch Museum/Joods Cultureel Kwartier, Amsterdam, zu sehen war.
Marie Karoline Oestreicher wird 1915 in eine gutsituierte, jüdische Familie in Karlsbad (Karlovy Vary) hineingeboren. Im Sommer 1933 reist sie mit Leica und Rolleiflex im Gepäck nach Wien, um an der altehrwürdigen »Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt« eine Ausbildung zur Fotografin zu machen, die sie mit der Note »sehr gut« abschließt. Von Anfang an war sie an den Prozessen in der Dunkelkammer interessiert, hat sie ihre Negative selbst entwickelt. Als freie Fotografin erprobt sie sich beim Portraitieren, macht Reportagen für Zeitschriften und entwickelt besonderes Interesse an den avantgardistischen Theaterbühnen um den Wiener Naschmarkt.
Im Sommer 1937 trifft sie die weitsichtige Entscheidung, nach Amsterdam zu emigrieren, wo ihre Schwester, die Bauhäuslerin und Textilgestalterin, Lisbeth Oestreicher, bereits lebt. Zusammen richten sie das Atelier »Model en Foto Austria« ein.
Katharina Eleonore Behrend (1888–1973) gehört zur zweiten Generation fotografierender Amateure, von denen die meisten namenlos geblieben und unter denen nur wenige Frauen zu finden sind.
Behrends fotografischer Nachlaß, der in der Stichting Nederlands Fotoarchief, Rotterdam, bewahrt wird, ist als Dokument Europäischer Amateurfotografie mit Bildbeispielen aus den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts von überraschender Vielseitigkeit.
Ausflüge, Sommerfreuden, Spiel und Sport im Freien und Reiseeindrücke waren bei den Amateuren so beliebte Motive wie spielende Kinder und die Portraitaufnahmen von Freunden und Verwandten, die als bürgerliche Ahnengalerie in Fotoalben in Ehren gehalten wurden.
Besonders beliebt waren Bilder vom neuzeitlichen Freizeitvergnügen, vom Strand- und Badeleben an der See oder in öffentlichen Badeanstalten mit leicht bekleideten Menschen wie auf Behrends Aufnahme vom ostfriesischen Inselstrand auf Langeoog, auf der sich ihr Bruder Walter beim kühnen Sprung über einen hoch aufgerichteten Liegestuhl versuchte – ein frühes Beispiel fotografisch fixierter Bewegung aus der Hand einer Amateurin.
Leben und Werk der ungarisch jüdischen Fotografin Eva Besnyö (1910 - 2003) sind von der Moderne in den Künsten gleichermaßen wie von den politisch extremen Geschicken Europas im 20. Jahrhundert, von Faschismus, Nationalsozialismus, Verfolgung und Emigration, geprägt.".
Als Eva Besnyö gerade zwanzigjährig mit einer Gesellenprüfung des angesehenen Budapester Portrait- und Werbeateliers Jozsef Pecsi im Gepäck in Berlin eintraf, hatte sie bereits zwei folgenreiche Entscheidungen in ihrem Leben getroffen: Das Fotografieren zu ihrem Beruf zu machen und dem faschistischen Ungarn für immer den Rücken zu kehren. Noch konnte sie nicht wissen, dass sie auch Deutschland bald wieder verlassen würde, aber die knapp zwei Jahre in Berlin von September 1930 bis Herbst 1932 wurden für ihre persönliche Entwicklung und ihre fotografische Bildsprache von bleibender Prägung.
Dorothy Bohm gehört zusammen mit Bill Brandt und Ida Kar, Don McCullin, David Bailey und Jo Spence zu den bedeutendsten Photographinnen und Photographen in Großbritannien nach 1945.
Zum ersten Mal tritt sie 1969 mit eigenen Photographien "People at Peace" zusammen mit ihren Kollegen Don McCullin, Tony Ray-Jones und Enzo Ragazzini in der Ausstellung "Four Photographers in Contrast" im Institute of Contemporary Arts in London an die Öffentlichkeit.
In der Zeit öffentlicher Debatten um Photographie als Kunst verstand sich Dorothy Bohm auch als Pionierin und Streiterin für Photographie und machte sich für die Rolle des jungen Mediums innerhalb der bildenden Künste stark. Zusammen mit Sue Davies begründete sie in London 1971 die erste auf Photographie spezialisierte Einrichtung "The Photographer's Gallery", die im Laufe der Jahrzehnte zum maßgeblichen Forum für Photographie in Großbritannien wurde. Hierhin holte sie auch Photographen, mit denen sie eine langjährige Freundschaft verband: André Kertész, Manuel Álvarez Bravo, Bill Brandt, Arnold Newman und George Rodger.
Käthe Buchler, geborene von Rhamm, wurde 1876 in Braunschweig als Tochter des Juristen und Landsyndikus Albert von Rhamm, und seiner Frau Emma geboren. Sie wuchs in einem großbürgerlichen Elternhaus mit zwei Schwestern und einem Bruder auf; alle Kinder waren musisch begabt. Käthe, deren Leben beeinträchtigt wurde durch eine seit frühester Jugend vorhandene Schwerhörigkeit, beschäftigte sich mit Aquarell- und Ölmalerei. Um die Schwerhörigkeit behandeln zu lassen, reiste sie oft nach Berlin. 1895 heiratete sie Walther Fr. Th. Buchler, den Inhaber der 1858 von Hermann Buchler gegründeten “Chininfabrik Braunschweig Buchler & Co.“ und sie zogen 1901 mit ihren beiden Kindern in die Villa am Löwenwall 19 in Braunschweig, wo sie ein offenes, den Künsten aufgeschlossenes Haus führten.
Im selben Jahr beginnt sie mit ihrer ersten Kamera, einer zweiäugigen Voigtländer, einem Geschenk ihres Mannes, zu photographieren. Sie dokumentiert das Familienleben und die Umgebung. Später arbeitet sie auch mit einer 9x12cm Plattenkamera mit großem Holzstativ, von der ebenfalls in Braunschweig ansässigen Firma Voigtländer. Diese sperrige Kameraausrüstung begleitete sie bei Familienausflügen und ausgewählten Motivreisen in die Braunschweiger Umgebung.
Das nötige photographische Rüstzeug holte sie sich als Amateurin ab 1906 in Photographie-Kursen im Lette-Verein in Berlin.
Der Lette-Verein, ein 1866 eingerichtetes Institut zur Erlernung und Professionalisierung der Frauenberufe, hatte 1890 die Abteilung Photographische Lehranstalt eingerichtet, um die Frauen an den sich neu entwickelnden Beruf der Photographin heranzuführen.
„Überraschend ist, wie sehr sich das Bild des Frauenschaffens auch auf künstlerischem Gebiet in den letzten dreißig Jahren verändert hat. Als die Bahn frei war, waren plötzlich auch die Begabungen vorhanden. Die äußere Not, der Umschwung in den sozialen Verhältnissen, hat die Frau ins Leben hinausgedrängt, aber es war nicht die äußere Not, die die Künstlerin in ihr geweckt hat. Seelische Wandlungen waren bestimmend. Ein neues Frauengeschlecht hat sich einen neuen Pflichtenkreis geschaffen, neue Lebensideale aufgestellt und seinen Horizont erweitert,“ schreibt 1927 die Kunsthistorikerin Rosa Schapire.
Die Malerin Grete Csaki-Copony wurde 1893 bei Kronstadt (Brasov) in Siebenbürgen (Transilvania) geboren. Sie gehört zu den noch wenig bekannten Künstlerinnen und Künstlern dieser multikulturellen Region, der im erweiterten Europa eine neue Rolle zuwachsen wird. Als Papierfabrikant und späterer Abgeordneter im ungarischen Parlament (Siebenbürgen wurde erst 1920 rumänisch) zählte ihr Vater seinerzeit zur Bildungselite des Landes.
Grete Copony begann ihren künstlerischen Werdegang 1909 in Dresden, ging dann nach München und später nach Berlin, wo die Schule des »Vereins der Berliner Künstlerinnen« zur entscheidenden Stätte der Professionalisierung von Künstlerinnen geworden war. Käthe Kollwitz, Karl Stauffer-Bern, Hans Baluschek, George Mosson, Franz Skarbina etc. waren hier in der Lehre tätig und vertraten die moderne Kunstauffassung der 1898 begründeten Secession. Für Grete Csaki-Copony wird Berlin zum Ort der Entwicklung des eigenen Malstils. Sie genießt hier Freiheit und Unabhängigkeit in der Stadt des künstlerischen Aufbruchs, in der Kaiser Wilhelm II. mit seinem Urteil über die »Rinnsteinkunst« einer Kollwitz und eines Baluschek für anhaltende Debatten in Kunstkreisen gesorgt hatte.
Im Herbst 1924 geht Grete Csaki-Copony für einige Monate nach Paris. Hierher kamen die Künstlerinnen von überall: Sigrid Hjerten aus Schweden, Helene Schjerfbeck aus Finnland, Anna Ancher aus Dänemark, die Russin Marie Vassilieff, Käthe Kollwitz, Paula Modersohn-Becker, Clara Westhoff-Rilke, Ida Gerhardi, Lou Albert-Lasard und Annot aus Deutschland, um nur einige zu nennen, vor allem auch weil sie Aktstudien am lebenden Objekt betreiben durften: in der Schule von Madame Trélat de Lavignes, der Académie Julien, bei Colarossi oder Matisse und der Grande Chaumière, bei Henri Martin,
Puvis de Chavannes, Fernand Léger oder André Lhote. Hier entstehen auch Csaki-Coponys Aktstudien, aber auch ihre Aquarelle von Caféhausszenen, Gärten und Plätzen; hier entsteht auch ihr Selbstportrait mit Zeichenstift und Skizzenblock vor dem Spiegel zum Ausdruck der Selbstbefragung, wie es für die Künstlergeneration, die den Zusammenbruch der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Folge des verlorenen Ersten Weltkrieges hautnah erlebt hat, typisch war.
Die Desmond tanzte nicht nur barfuss, sie tanzte nackt. Und das bedeutete für die prüde preußische Presse zur Zeit Kaiser Wilhelms II. einen Skandal. Schon Auftritte ohne Schuhe galten im Wilhelminismus als anstößig und unkünstlerisch; daran konnten auch die sensationellen Auftritte der weltweit bekannten Barfuss-Tänzerin Isadora Duncan nichts ändern. Um gesellschaftliche Konventionen aber wollte sich die Desmond nicht kümmern.
Olga Desmond (1890-1964), als Olga Antonie Sellin in Ostpreußen geboren, erlernte die Schauspielerei in Berlin und verdiente sich nebenbei ihr Geld, indem sie Künstlern, u.a. Lovis Corinth, Modell stand. 1906 schloss sie sich der Artistengruppe The Seldoms an und trat während eines längeren Aufenthalts in London in sogenannten plastischen Darstellungen als Venus auf. Es folgten Auftritte in Berlin, wieder mit dem Partner Adolf Salge von den Seldoms. Ihre tänzerischen Darbietungen entwickelte sie zu ausgewählten Kompositionen aus klassischen Posen verbunden mit pantomimischen Gesten, einem zeittypischen Merkmal im damals neuen Tanz. Zusammen mit Karl Vanselow, dem Herausgeber des Lifestylmagazins der Jahrhundertwende "Die Schönheit", kreierte sie für die "Vereinigung für ideale Kultur" die "Schönheit-Abende" mit Auftritten in Berlin und St. Petersburg, Dresden, Leipzig, Breslau. Sie propagiert mit ihrem Tanz das Verständnis einer modernen Körperkultur und will zugleich eine gesunde Lebensweise anregen. Sie tanzt nackt, verzichtet auf das hautfarbene Trikot, durch Spezialschminke erhält ihr Körper ein makelloses Aussehen. Der Tanzkritiker Fritz Böhme erkennt in ihren Tänzen sogar den Ausdruck einer "neue Weltanschauung".
Der Skandal ließ nicht lange auf sich warten: die Auftritte im Wintergarten wurden im Januar 1909 Anlass zu Auseinandersetzungen im Preußischen Landtag, die "Schönheit-Abende" wurden verboten.
1908 geboren und in der Wiener Innenstadt zu Hause, absolvierte sie 1933/1935 eine Ausbildung zur Fotografin an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien. Der Austrofaschismus hatte das liberale Leben bereits eingeschränkt und propagierte verstärkt die Bildästhetik einer verklärenden Heimatfotografie. Dagegen favorisierte Gerti Deutsch Alltagsmotive, die dieser Norm entgegenstanden, wie z.B. die Aufnahme von Wartenden auf einem Kleinstadtbahnhof (1930er-Jahre) aus der Perspektive von oben und den für die moderne Fotografie typischen Bilddiagonalen.
1936 verließ sie Wien und ging nach London, wo die von Stefan Lorant 1938 gegründete, liberale antifaschistische Illustrierte »Picture Post« bis 1950 ihr wichtigster Auftraggeber wurde. Es entstanden 64 Bildreportagen mit kulturellen und aktuell politischen Themen, u.a. Fotoserien zu den Transporten jüdischer Kinder aus Deutschland (1938), zu österreichischen Kriegsheimkehrern (1948); nach dem Zweiten Weltkrieg – den überwiegenden Teil ihrer Aufnahmen konnte sie retten - fotografierte sie wieder häufiger in Österreich sowohl bei den traditionellen Salzburger Festspielen, als auch bei Festen und Feiern der Menschen auf dem Lande.1960 machte sie während eines zweimonatigen Aufenthalts in Japan Fotografien im Auftrag der Japanischen Kamera-Handelsvertretung. Es sind faszinierende Motive einer in Europa damals überwiegend noch fremdem Kulturlandschaft.
Publikation
Paris war um 1890 die uneingeschränkte Kunstmetropole – und der einzige Ort für Frauen ein freizügig-selbstbestimmtes Leben zu führen. Sie kamen aus Deutschland, den skandinavischen Ländern, aus England und den USA, um in Paris zu lernen und zu leben; zur Ausbildung besuchten sie die privaten Institute Académie Colarossi oder Académie Julian u.v.a.
„Wenn wir Paris nun auch noch nicht gerade wie unsere Tasche kennen, so fühle ich mich doch zu meinem eigenen Erstaunen so heimisch u. orientiert (…), so bin ich doch jeden Tag dankbar für mein jetziges Leben, in dem ich gerade das tun darf, ungehindert, frei, nach Herzenslust, was mir am meisten Freude bereitet, u. ich bereue keinen Tag, nach hier u. nicht nach München gegangen zu sein, (…) ist hier eben doch viel mehr für die künstlerische Erziehung getan u. alles ist mit einer Bequemlichkeit eingerichtet, wie das in Deutschland in keiner Stadt für Damen zu finden ist.“
(Ida Gerhardi, 19.4.1891 aus Paris an die Freundin Elisabeth Gebhard)
Ida Gerhardi, 1862 in der westfälischen Kleinstadt Hagen geboren, kam nach einem kurzen Intermezzo in München bei der österreichischen Landschaftsmalerin Tina Blau (1845-1916) in der Damenakademie des Künstlerinnenvereins 1891 nach Paris. Sie schreibt sich an der Académie Colarossi ein, trifft in Paris die Kolleginnen Käthe Kollwitz (1867-1945) und Ottilie Roederstein (1859-1937). Hier entwickelt sie ihr Talent zur vollen Profession: Landschaft, Akt, Portrait studiert sie gleichermaßen; immer im schmerzlichen Bewußtsein, nicht den gleichen Zugang zu allen Ausbildungszweigen wie die männlichen Kollegen zu haben. Daneben genießt sie in Paris die Freiheit und die Möglichkeiten zur eigenständigen Entwicklung.
Mit der Wiederentdeckung von HENRIETTE GRINDAT (1923-1986 ), die zu den stilbildenden Fotografinnen und Fotografen in der Schweiz nach 1945 gehört, wird in Deutschland zum ersten Mal eine Auswahl von 100 Aufnahmen aus ihrem eigenwilligen, komplexen Werk vorgestellt.
Neben den Bildjournalistinnen Anita Niesz und MoniqueJacot und den Kollegen Werner Bischof, Gotthard Schuh, Jakob Tuggener repräsentiert sie eine poetische Kunstfotografie.
HENRIETTE GRINDAT wird 1923 in Lausanne, in der französischsprachigen West-Schweiz geboren. Von 1943-1946 besucht sie die von Gertrude Fehr (1895 -1996) geleiteten Ausbildungsstätten, zunächst die„Ecole de photographie de Suisse romande“ in Lausanne, dann die Fotografieabteilung der „Ecole des arts et métiers“ in Vevey. Für GRINDAT wird die Lehrmeisterin zur Impulsgeberin in Fragen künstlerischer Orientierung. Gertrude Fehr vermittelt der jungen Fotografin die Freude am fotografischen Experiment und die Begeisterung für den französischen Surrealismus, auch anhand des surrealistischen Künstlermagazins „Minotaure“.
Zum Werk der Malerin Marta Hegemann 1919-1936
Als sich Marta Hegemann 1918 im Alter von 24 Jahren für ein Leben als freischaffende Künstlerin entscheidet, hatte sie an der Kölner Kunstgewerbeschule und an der Düsseldorfer Kunstakademie bereits eine Ausbildung als Zeichen- und Sportlehrerin absolviert. Im selben Jahr heiratet sie den Kölner Malerfreund Anton Räderscheidt, dem sie in einer knapp zwanzigjährigen Lebens- und Künstlergemeinschaft verbunden bleibt. Jahrzehnte, die für beide trotz heftiger persönlicher Spannungen vor allem künstlerisch überaus anregend sind.
An die erste Zeit gemeinsamer Arbeit während der existenziell schwierigen, aber künstlerisch kreativen Nachkriegs- und Revolutionsjahre, denkt Hegemann noch im hohen Alter gerne zurück und notiert in ihren Erinnerungen: „In dieser Zeit, wir froren, wir hungerten, wir feierten, aber vor allem, wir suchten. Und dieses Suchen war das ungeheuer Belebende“ (zit. Nach: Michael Euler-Schmidt (Hg.) Marta Hegemann-Leben und Werk, Ausst.-Kat. Kölnisches Stadtmuseum, Köln 1990, S.73ff). Die Kölner Kunstfreunde Angelika und Heinrich Hoerle, Carlo Mense, F.W. Seivert, Wilhelm Fick treffen sich im Wohn-Atelier von Hegemann und Räderscheidt am Hildeboldplatz 9 in Köln und formieren für kurze Zeit die dadaistisch inspirierte Künstlergruppe „stupid“. Durch Max Ernst auf die Zeitschrift „Valori plastici“ aufmerksam geworden, erhalten sie Anregungen durch die „pittura metaphysica“ und surreale Bildwelten nehmen auch Einzug in Marta Hegemanns Arbeiten.
Ihre Malerei ist der Ort ihrer sehr persönlichen, politisch verstandenen Auseinandersetzung als Frau in der patriarchal bestimmten Gesellschaft. In diesem Verständnis entwickelt sie eine individuelle Bildsprache, deren Zeichen und Symbole, mit denen sie ihre vorwiegend weiblichen Figuren umgibt, bis heute Rätsel aufgeben. Äußerlich gleichen ihre Frauenfiguren dem in den zwanziger Jahren verbreiteten Bild der „Neuen Frau“, das zwischen massenmedialem Klischee und emanzipatorischem Selbstentwurf der erstmals in der Öffentlichkeit auftretenden Frauen oszilliert. Marta Hegemann sucht den Schnittpunkt von Selbst- und Fremdbestimmung einzukreisen und erfindet im Verlauf ihres Werkes zunehmend forcierte Selbstbefreiungsentwürfe.
Erst neuerdings wurde das in Schweizer Privatbesitz befindliche, künstlerische Werk der jüdischen Malerin ILSE HELLER-LAZARD (1884-1934) gesichtet. Sie gehört - wie ihre Schwester Lou Albert-Lasard (1885 - 1969) - zu den wenigen Künstlerinnen im westlichen Europa, denen es - neben den bekannten wie Alice Bailly, Sophie Taeuber-Arp und Clara von Rappard in der Schweiz, Paula Modersohn-Becker, Clara Rilke-Westhoff, Käthe Kollwitz in Deutschland, aus dem Kreis des Blauen Reiter Gabriele Münter und Marianne Werefkin, in Frankreich Marie Laurencin, Suzanne Valladon und Berthe Morisot - gelungen ist, sich eine Ausbildung zu verschaffen.
ILSE HELLER-LAZARD wurde 1884 im deutsch-lothringischen Metz geboren. Erste Tochter des angesehenen und wohlhabenden Bankiers Leopold Lazard (1843 - 1927) und seiner deutsch-amerikanischen Frau Jenny Stein (1861 - 1909), wuchs sie in großbürgerlich-jüdischen Verhältnissen auf; 1885 wurde ihre Schwester Louise, genannt Lou, geboren.
Beiden Schwestern gelang es, ihren Wunsch Malerin zu werden gegenüber den Eltern durchzusetzen. Neben Unterweisung in Hauswirtschaft nahmen sie von 1904 bis 1906 in der Kunststadt München ersten Unterricht im Malen.
Die entscheidenden Jahre ihrer Ausbildung absolviert Ilse Heller-Lazard in Dresden, wo sie im Kreise junger Kolleginnen Unterricht bei dem deutsch-lettischen Maler Johann Walter-Kurau (1869 - 1932) nimmt, bei dem auch Else Lohmann, die spätere Bauhäuslerin Margarete Schall, Luise Grimm und v.a. das Handwerk lernten. Walter-Kurau war in Form- und Farbauffassung stark von den "Brücke"-Künstlern geprägt.
Zum ersten Mal hat
DAS VERBORGENE MUSEUM 1989/90
Arbeiten von Architektinnen gezeigt: „Finnische Architektinnen 1890-1957“.
Mit der Werkpräsentation von Arbeiten der deutschen Architektin Lucy Hillebrand wird die Reihe der Ausstellungen von Architektinnen mit einer prominenten Vertreterin fortgesetzt.
„Entschieden zurückzuweisen ist die Ansicht, daß die Außenarchitektur Aufgabe des Mannes bleiben müsse, während die Frau sich auf die Heimgestaltung beschränken soll.
Es ist nicht einzusehen,
1. Warum die weibliche (!) Architektin‘ deshalb keine Häuser bauen soll, weil der ‚Herr Architekt‘ das ‚wahrscheinlich ebenso gut‘ kann und insbesondere,
2. Daß er es ‚sogar besser kann‘.
Wir arbeiten auf einer Ebene, wo es nicht mehr entscheidend ist, ob Mann oder Frau hinter der Arbeit steht, sondern wo die künstlerische Fähigkeit und das räumlich-plastische Denkvermögen die Leistung bestimmt.“
(Lucy Hillebrand, Göttinger Tageblatt, 20.7.1938)
LUCY HILLEBRAND gehört zu den wenigen Architektinnen der modernen Architektur in Deutschland, die dem Prozeß des völligen Vergessen-werdens nicht anheim gefallen ist. Sie wurde 1906 in Mainz geboren und hat Mitte der 1920er Jahre ihren Berufswunsch verwirklicht und Architektur studiert. Sie war in Köln Meisterschülerin bei dem Kirchenbaumeister Dominikus Böhm und gehört in Deutschland zu den Pionierinnen ihres Faches.
Künstlerinnen F - J
Als Repräsentantin der Neuen Fotografie in den 1920er-Jahren gehört Lotte Jacobi heute mit ihrem Porträtwerk zu den weltbekannten Fotografinnen und Fotografen. 1896 im westpreußischen Thorn (Torun) geboren, ist sie 1990 mit 93 Jahren in Concord, New Hampshire, in den USA gestorben.
1920 zieht Lotte Jacobi – inzwischen verheiratet und Mutter eines Sohnes – nach Berlin, wo wenig später auch ihre Eltern eintreffen. Sie eröffnen ein Fotoatelier, ein klassisches Porträtatelier für jedermann in der Joachimsthalerstraße 5 mitten im Berliner Neuen Westen, in der Kurfürstendammgegend, wo die Künstleravantgarde zu Hause war.
1927 übernimmt Lotte Jacobi das väterliche Atelier, nachdem sie an der Staatlichen Höheren Fachschule für Phototechnik in München eine zweijährige Ausbildung zur Fotografin absolviert hatte. Es war die Zeit, in der die Illustrierten und Magazine der großen Berliner Verlage wie Ullstein, Mosse und Scherl den Fotografinnen und Fotografen ein umfangreiches neues Tätigkeitsfeld eröffneten: die Pressefotografie mit Reportagen aus aller Welt, mit Mode- und Architekturaufnahmen, Interieurs und Porträts von Persönlichkeiten aus Tanz, Theater, Literatur, Bildender Kunst, Wissenschaft und Politik, worauf sich Lotte Jacobi spezialisiert hat.
In Lotte Jacobis Porträtwerk zu blättern heißt die künstlerische und politische Avantgarde der 1920er- und frühen 1930er-Jahre Revue passieren lassen. Es ist das Berlin der gerne verklärend als golden bezeichneten Zwanziger Jahre, in dem ihre großen Porträts entstanden sind: Lotte Lenya, Käthe Kollwitz, Klaus und Erika Mann, Carl Zuckmayer, Karl Valentin und Lisl Karlstadt, Lil Dagover, Peter Lorre und viele andere mehr.
Grethe Jürgens (1899-1981), Malerin der Neuen Sachlichkeit, gehörte neben ihrer Kollegin Gerta Overbeck und den Malern Ernst Thoms, Erich Wegner, Friedrich Busack, Hans Mertens und Karl Rüter zu den Hannoveraner Vertretern dieser in den zwanziger Jahren modernen Stilrichtung. Zwar war sie in zahlreichen, auch internationalen Ausstellungen der 1960er und 1970er Jahre vertreten, aber was ist an Kenntnissen über sie geblieben?
Von Nachkriegszeit und Novemberrevolution, Kapp-Putsch und Inflation geprägt, bilden bei Grethe Jürgens Arbeiter und arme Leute, Arbeitslosigkeit und Krankheit, sowie der unwirtliche Stadtraum mit den Fabrikschloten die thematische Folie ihrer Bilder. Jürgens wie ihre Kollegen sind Suchende abseits des Gutbürgerlichen, sie sind links orientiert, aber nicht vertreten in den avantgardistischen Ausstellungen in der Kestner-Gesellschaft, wo der als Bürgerschreck verschriene Kurt Schwitters u.a. auch zusammen mit Friedrich Vordemberge-Gildewart Furore machte.
Die Ausstellung im VERBORGENEN MUSEUM zeigt frühe Arbeiten von Grethe Jürgens, entstanden während des Studiums, auf den Radtouren und Wanderungen zwecks Motivsuche rund um Hannover in den Jahren 1919 - 1921.
»Meine Laufbahn als Fotografin begann mit dem Portrait und es blieb mein Hauptaufgabengebiet«, resümierte Annelise Kretschmer rückblickend ihre photographische Tätigkeit 1. Als Annelise Kretschmer Mitte der zwanziger Jahre in die photographische Lehre ging, hatte sich die Portraitphotographie aus den engen Fesseln standardisierter Haltungen befreit. Neue Posen, aufgenommen aus den verschiedensten Perspektiven, eine gewagte Licht- und Schattenverteilung, Ausschnitte und Fragmentierungen eröffneten dem klassischen Sujet ein ungeahntes Formenrepertoire. Kretschmer bevorzugte innerhalb diese Genres die Grundsätze einer gemäßigten Moderne, die im Spiel der photographischen Gesetzmäßigkeiten die Wiedergabe des Menschen nicht aus dem Auge verlor.
Annelise Kretschmer (1903-1987) wuchs wohlbehütet in einer Dortmunder Kaufmannsfamilie auf. Mutter und Vater waren im eigenen, eleganten Konfektionshaus tätig, sie waren kulturell interessiert und führten im Kreise von Künstlerfreunden ein offenes Haus. Die Tochter erhielt eine - für Mädchen damals eher unübliche - gymnasiale Schulausbildung. Neben diesen familiären Voraussetzungen gehörte Annelise Kretschmer zu der Generation von Frauen, die nach dem Ersten Weltkrieg infolge der gesellschaftlichen Umwälzungen in der Weimarer Republik die Spielregeln zur Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse selbst bestimmen konnten. Es eröffneten sich ihnen ganz neue Sparten der Berufstätigkeit, darunter auch die verschiedenen Zweige des photographischen Gewerbes. Wie Kretschmer kamen sie häufig aus großbürgerlichem Hause, konnten sich noch gewachsener Privilegien bedienen, vor allem Spielräume bedenkenlos ausprobieren.
Fotografinnen, Journalistinnen, Amateurfotografinnen und fotografierende Krankenschwestern waren zwischen 1914 und 1945 an den beiden Angriffskriegen in Europa sowie am Spanischen Bürgerkrieg mit und ohne Akkreditierung als Kriegskorrespondentinnen beteiligt. Sie haben die Versorgung der Verwundeten im Lazarett, die Betreuung der Soldaten in der Etappe und den Krieg aus nächster Nähe an der Front ebenso wie das Leben zu Hause an der Heimatfront dokumentiert. Sie waren überwiegend gegen Wilhelminismus, Faschismus und Nationalsozialismus eingestellt, aber weiblichen Geschlechts zu sein, bedeutet nicht zwangsläufig Pazifistin zu sein.
Die Österreicherin Alice Schalek beispielsweise war vom Krieg fasziniert. Begeistert hat sie sich als erste akkreditierte Kriegsfotografin bis in die Gebirgszüge am Isonzo 1915-17 unter die Soldaten begeben und sich als Korrespondentin mit dem Wiener Pazifisten Karl Kraus in der Tagespresse aufsehenerregende Wortgefechte geliefert.
In Deutschland hatten Frauen keinen Zugang zu den Schlachtfeldern. Die Mehrheit der bürgerlichen Frauen aber übernahm stolz und freiwillig alle Arbeiten, die zur Versorgung an der Heimatfront notwendig waren. Die Amateurfotografin Käthe Buchler hat sie 1916 als Schaffnerinnen, Briefträgerinnen, Nachtwächterinnen etc. portraitiert und damit zugleich bei öffentlichen Vorträgen auf ihre Weise mobil gemacht.
Der deutsch-lettische Maler Johann Walter-Kurau, der ab 1906 in Dresden und von 1917 bis 1932 in Berlin eine Malschule geführt hat, war bei den Malerinnen besonders beliebt, weil er sie auf dem schwierigen Weg der Professionalisierung unterstützt hat. Noch waren sie auf den teuren, privaten Kunstunterricht angewiesen, weil der Zugang zu den Kunst-Akademien für Frauen in Deutschland bis zur Gründung der Weimarer Republik 1919 verschlossen war. Die Studenten konnten an Wettbewerben teilnehmen, Stipendien beantragen, Studienaufenthalte im Ausland wahrnehmen und sich um Auszeichnungen bewerben. Diese Chancen hatten die Studentinnen der privaten Malschulen nicht. Sie waren auf finanzielle Unterstützung der Eltern, auf Erbschaften oder auf Nebentätigkeiten wie das erniedrigende Modellstehen angewiesen.
Neben Landschaften und Portraits von Else Lohmann (1897-1984), Minna Köhler-Roeber (1883-1957), Ilse Heller-Lazard (1884-1934), Elisabeth von Schulz (1884-1968) und Bettina Encke von Arnim (1895-1971), die alle für eine bestimmte Zeit bei Johann Walter-Kurau in Dresden bzw. in Berlin studiert haben, werden Gemälde von Käthe Loewenthal (1878-1942), Augusta von Zitzewitz (1880-1960), Else Hertzer (1884-1978), Martel Schwichtenberg (1896-1945), Grethe Jürgens (1899-1981) u.a. gezeigt
Künstlerinnen der AusstellungKünstlerinnen
Lou Albert-Lasard, Grete Csaki-Copony, Bettina Encke, von Arnim, Jacoba van Heemskerck, Ilse Heller-Lazard, Else Hertzer Grethe Jürgens, Minna Köhler-Roeber, Lotte Laserstein, Lou Loeber, Käthe Loewenthal, Else Lohmann, Elfriede Lohse-Wächtler, Gertraud Rostosky, Elisabeth von Schulz, Martel Schwichtenberg, Suzanne Valadon, Marie Vassilieff, Augusta von Zitzewitz
Die Ausstellung »Künstlerinnen im Dialog« ist als Zwiegespräch in Bildern Europäischer Künstlerinnen der um 1900 geborenen Generation angelegt: Köpfe, Akte, Stillleben, Landschaften und Portraits von Lotte Laserstein, Käthe Loewenthal, Ilse Heller-Lazard, Else Lohmann, Jacoba van Heemskerck, Alice Lex-Nerlinger, Gerda Rotermund, Eva Besnyö, Florence Henri, Natalja Gontscharowa und vielen mehr, die überwiegend den künstlerischen Positionen der Moderne nach dem Ersten Weltkrieg zuzurechnen sind.
»Künstlerinnen im Dialog« findet in diesem Frühjahr zum dritten Mal statt und ist ein Ergebnis der Lebens-, Berufs- und Werkerzählungen vieler Künstlerinnen, die Das Verborgene Museum während der letzten Jahrzehnte erstmals bekannt gemacht hat.
Im Zentrum der Ausstellung stehen zwei Werke aus den 1920er-Jahren: Das expressionistische »Stillleben mit japanischer Puppe« (ca. 1925) von Martel Schwichtenberg (1896–1945) und das konstruktivistische »Stillleben mit Tassen« (1928) von Lou Loeber (1894–1983).
Künstlerinnen der Ausstellung
LOU ALBERT - LASARD 1885-1969 , URSULA ARNOLD 1929-2012,
ANNA - EVA BERGMAN 1909-1987, EVA BESNYÖ 1910-2003,
DOROTHY BOHM 1924, MARIANNE BRESLAUER 1909-2001,
GERDA BÜTOW 1907-1977, GRETE CSAKI - COPONY 1893-1990,
KATE DIEHN - BITT 1900-1978, NATALJA GONTSCHAROWA 1881-1962,
JACOBA VAN HEEMSKERCK 1876-1923, MARTA HEGEMANN 1894-1970,
ILSE HELLER - LAZARD 1884-1934, FLORENCE HENRI 1893-1982,
ELSE HERTZER 1884-1978, NINI & CARRY HESS 1884-1942 / 1889-1957,
BEPPE KESSLER 1952, MARGARETE KOCH - NEUBERT 1896-1974,
LOTTE LASERSTEIN 1898-1993, ALICE LEX - NERLINGER 1894-1979,
LOU LOEBER 1894-1983, KÄTHE LOEWENTHAL 1877-1942,
ELSE LOHMANN 1897-1984, LIDY von LÜTTWITZ 1902-1996,
JEANNE MAMMEN 1896-1976, JEANNE MANDELLO 1907-2003,
ELSE MEIDNER 1901-1987, GRETE POPPER 1897-1976,
OTTILIE REYLAENDER 1882-1965, GERDA ROTERMUND 1902-1982,
THEA SCHLEUSNER 1879-1964, MARTHA SCHRAG 1870-1957,
ELISABETH VON SCHULZ 1884-1965,
MARTEL SCHWICHTENBERG 1896-1945,
LOUISE STOMPS 1900-1988, AUGUSTA VON ZITZEWITZ 1880-1960
Biografien
Lotte Laserstein, Eva Besnyö, Ilse Heller-Lazard, Jeanne Mandello,
Florence Henri, Ursula Arnold Anna-Eva Bergman, Jacoba van Heemskerck,
Lou Loeber, Else Lohmann, Else Meidner, Alice Lex-Nerlinger,
Ottilie Reylaender-Böhme, Thea Schleusner, Martha Schrag,
Elisabeth von Schulz, Martel Schwichtenberg, Augusta von Zitzewitz
EinzelAusstellungen
Lotte Laserstein, Eva Besnyö, Ilse Heller-Lazard, Jeanne Mandello,
Alice Lex-Nerlinger
Die Bilderschau »Künstlerinnen im Dialog« zeigt ca. 70 Exponate von 25 Malerinnen und Fotografinnen zum Thema »Landschaft und Gesicht«.
Das dialogisch angelegte Ausstellungskonzept macht es möglich, Werke von Künstlerinnen des Verborgenen Museums, u.a. von Ursula Arnold, Eva Besnyö, Lotte Jacobi, Ilse Heller-Lazard, Lotte Laserstein, Käthe Loewenthal, Else Lohmann, Gerda Rotermund und Yva unter thematischen, stilistischen, zeitgeschichtlichen oder medialen Aspekten zu kontrastieren. Gemälde und Fotografien von Landschaften und Gesichtern werden seriell, zu Bildpaaren gruppiert oder auch als singuläre Einzelstücke präsentiert.
Dabei stehen zwei Gemälde, beide zum ersten Mal in Berlin zu sehen, im Focus der Präsentation:
der »Weiblicher Kopf in Grün«, um 1913, von Ilse Heller-Lazard (1883-1932) und das Sitzbildnis einer jungen, modisch gekleideten Südeuropäerin, die »Spanische Frau« 1931, von Lotte Laserstein (1898-1993).
Die Wirkung des »Weiblichen Kopfes in Grün« – eine Gesichtslandschaft par excellence - lebt von der für den Expressionismus typischen Dominanz der Farbe über die Form. Ilse Heller-Lazard hat sich in Dresden von der Kunst der französischen Fauves und der Brücke-Maler inspirieren lassen und zwischen 1911 und 1915 im Unterricht bei dem deutsch-lettischen Maler Johann Walter-Kurau (1869-1932) die Palette der expressionistischen Farbarchitektur erlernt. Hier arbeitete sie vielfach mit der Farbe Grün, dem Farbton sommerlicher Gestimmtheit; dem »Grünen Kopf« mit den niedergeschlagenen Augen aber gab sie durch intensives Schwarz einen kontrastierenden Farbklang.
Lotte Laserstein wird zum ersten Mal mit einer Retrospektive in Deutschland vorgestellt. Die Malerin, hierzulande völlig in Vergessenheit geraten, hat in den 1920er und 1930er Jahren in Berlin ihre wichtigsten Bilder gemalt, nachdem sie 1927 als eine der ersten Frauen die Berliner Kunst-Akademie – mit Auszeichnung – absolviert hat.
Laserstein führt ab 1927 im eigenen Atelier eine private Malschule. Sie beteiligt sich an zahlreichen Ausstellungen und nimmt erfolgreich an Wettbewerben teil, beispielsweise an dem von der Kosmetikfirma Elida veranstalteten: „Das schönste deutsche Frauenporträt 1928“. 1929 wird sie Mitglied im Verein der Berliner Künstlerinnen und ist aktiv im Vereinsleben tätig. Die renommierte Galerie Gurlitt zeigt 1931 eine Einzelausstellung.
Lotte Laserstein reüssiert besonders mit Bildnissen, die bereits damals ihre bevorzugten Themen verraten: die fremdländischen Gesichter in Nahsicht – wie sie damals auch in der Fotografie beliebt waren, Menschen in ungewohnter Haltung oder auch Gruppen in verhaltenem Einklang und sie malt Typen der Zeit: modische Großstädterinnen im Café, einen Motorradfahrer in voller Montur, sportliche Tennisspielerinnen, sich schminkende Mädchen und in den Portraits ihres Lieblingsmodells Traute Rose befragt die Malerin immer wieder vor allem das Bild der Neuen Frau. Besonders ihr Modell Traute Rose inspirierte sie zu einigen ihrer besten Bilder, darunter die subtilen Malerin-Modell-Darstellungen und die weiblichen Akte. In zahlreichen Selbstportraits sowie den Malerin-Modell-Darstellungen weist Laserstein selbstbewusst auf ihre Profession als Malerin hin.
Alice Lex-Nerlinger gehörte mit Hannah Höch, Lea und Hans Grundig, John Heartfield, den Kölner Progressiven und Oskar Nerlinger zur künstlerisch-politischen Avantgarde der Weimarer Republik.
Ihr persönliches Erleben des Ersten Weltkriegs und das künstlerische Experimentierfeld im Berlin der 1920er-Jahre waren der Fundus, aus dem Alice Lex-Nerlinger die Themen ihrer künstlerisch-dialektischen Arbeiten geschöpft hat: Helden- contra Soldatentod, Snob und Kriegskrüppel, Dame und Proletarierin, Mensch und Maschine, Kapital und Arbeit, Staat und Zensur und nicht zuletzt der frauenverachtende § 218, der Abtreibung damals unter Gefängnisstrafe gestellt hat. Entsprechend lauten die Titel ihrer Bilder: »Feldgrau schafft Dividende«, »Für den Profit«, »Arbeiten, Arbeiten, Arbeiten«, »Arm und Reich«, »Zensur« und »Paragraph 218«.
„… wär‘ ich ein Mann und könnte da reden, wie mir es im Herzen redet nach außen hin, reden zu den Menschen: – im kleinen Kreise, am runden Tisch wie zu allem Volk von hoher Warte aus, – ohne weibliche Gebundenheit …“ schreibt Käthe Loewenthal im Juni 1909, als sie schon vier Jahre in München als freischaffende Malerin tätig ist und sich wünscht als Frau und Künstlerin in der Öffentlichkeit neben ihren Malerkollegen gleichberechtigt respektiert und akzeptiert zu werden.
Käthe Loewenthal wurde 1877 in Berlin geboren und sehr früh schon hat sie ihr Leben in die eigenen Hände genommen. Das freigeistige, nicht mehr dem jüdischen Glauben verpflichtete Familienleben gestattete der gerade zwölfjährigen in der Schweiz bei protestantischen Freunden zu bleiben, während die Eltern und Geschwister nach zweijährigem Aufenthalt in Bern nach Berlin zurückkehrten. Sehr früh schon zeigt sich ihr Talent zur Malerei, so daß sie sich 1895 mit Schulabschluß entscheidet bei dem Schweizer Maler Ferdinand Hodler zu studieren, der am Ende des Jahrhunderts sich vom Naturalismus abwendend eine stark symbolhafte Farb- und Formsprache in seiner Malerei zu entwickeln suchte.
Seit ihrer Studienzeit in der Schweiz kehren in den Arbeiten von Käthe Loewenthal die Berglandschaften immer wieder und das bleibt auch weiterhin so, seit sie von 1912 ab regelmäßig die Sommermonate über auf der Insel Hiddensee verbringt und von nun an auch das Meer, die Steilküste und die Fischerboote zum gleichgewichtigen Sujet ihrer Malerei werden
Künstlerinnen K - O
Noch nicht neunzehnjährig ging Jeanne Mandello 1926 nach Berlin, um an der Photographischen
Lehranstalt des Lette - Vereins die zweijährige Ausbildung zur Fotografin zu machen. Sie schloss die Gesellenprüfung vor der Handwerkskammer mit »sehr gut« ab. Während eines Praktikums bei dem Leica - Pionier, Dr. Paul Wolff, machte sie Erfahrungen im Fotojournalismus.
Sie eröffnete 1929 ein eigenes Atelier in Frankfurt, erhielt Portraitaufträge, machte Aufnahmen für die Presse und lernte den an Fotografie interessierten, jungen Arno Grünebaum an. Nachdem sie geheiratet hatten und ihnen die Übergriffe der Nationalsozialisten auf jüdische Einrichtungen zu gefährlich wurden, flüchteten sie im Januar 1934 nach Paris. Hier erlebte Mandello eine kaum erträumte Karriere als Modefotografin im Auftrag der Modehäuser Balanciaga, Mainbocher, Maggy Rouff, Chanel, um nur einige zu nennen.
Die Begegnung zwischen Inge Morath und dem Kriegsfotografen Robert Capa im Juli 1949 in der Pariser Foto-Agentur »Magnum« hat die Weichen für das weitere Leben der damals 26jährigen österreichischen Journalistin gestellt. Noch sollte es Jahre dauern, bis Inge Morath mit der Leica so vertraut war, dass sie 1953 bei Magnum als Fotografin anfing und 1956 als Vollmitglied geführt wurde.
1923 in Graz geboren, war Inge Morath durch den berufsbedingt häufigen Ortswechsel der Eltern in Europa von Jugend an gewohnt, sich auf Menschen und deren Sprachen einzustellen. Ihre besondere Begabung erleichterte ihr später als Foto-Reporterin ein schnelles Erlernen von fremden Sprachen in immer neuen Regionen der Welt.
An ihre Oberschulausbildung in Berlin, die in die ersten Jahre des Nationalsozialismus fiel, schloss sich der “Reichsarbeitsdienst“ an, bevor sie zum Studium der Romanistik an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität zugelassen wurde. Danach wurde sie zur Arbeit in einem waffenproduzierenden Betrieb in Berlin-Tempelhof gezwungen. Nur durch ihren Mut, einen Bombenangriff zur Flucht zu nutzen, hat sie sich nach Salzburg zu den Eltern retten können.
Gerda Leo, 1909 in Hagen geboren, kommt früh mit der Photographie in Berührung. Der Vater, ein Rechtsanwalt, photographiert selbst und hat eine eigene Dunkelkammer. Nach seinem Tod 1922 erbt sie seine 9 x 12 cm Balgenkamera, mit der sie kontinuierlich seit 1926 Aufnahmen macht. Die Mutter Margarete Leo zieht 1922 mit den drei Töchtern in ihre Heimatstadt Halle an der Saale. Gerda Leo, die nicht studieren will, besucht vom Wintersemester 1925/26 an die dortige Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein, die wie das „Bauhaus“ neue Gestaltungsmittel sucht und die praktische Arbeit in den Unterricht einbezieht. Malerei bei Erwin Hahs, Emaille bei Lili Schultz und Photographie bei Hans Finsler sind ihre Stationen an der „Burg“. In der 1927 von Finsler begründeten ersten Photoklasse in einer Kunstgewerbeschule ist Gerda Leo von 1928-1930 Schülerin und anschließend bis 1932 Assistentin von Finsler.
Es ist anzunehmen, daß ihre Arbeiten in der Klasse herausragen, denn 1929 wählt Hans Finsler vier Aufnahmen von ihr für die legendäre internationale Ausstellung „Film und Foto“ des Deutschen Werkbundes in Stuttgart aus.
Finslers Unterricht scheint auch im Werk von Gerda Leo auf. Seine „Optische Grammatik“, die die theoretischen und praktischen Unterweisungen in der Klasse bilden, bestimmt die Frage nach dem Photographieren der Dinge: Reihungen, Verzerrungen, Kontraste, Ausschnitte, ungewöhnliche Perspektiven.
Doch die Strenge analytischen Sichtbarmachens und das kleinteilige Arrangieren der Objekte, wie auch das Aufzeigen der Materialbeschaffenheit, dies war nicht Gerda Leos Hauptinteresse. Sie photographiert gern in der Natur, nutzt natürliches Licht für Hell/Dunkel Kontraste, löst die Dinge nicht aus ihrer Umgebung, sondern versucht durch ihren Blickwinkel ein Geheimnis zu entdecken oder zu bewahren.
Hanna Nagel (1907 - 1975) nimmt im Oktober 1925 an der Badischen Landeskunstschule in Karlsruhe ihr Kunststudium auf. Ihre Eltern, der Großkaufmann Johannes Nagel und seine Gattin, Bertha Nuß, die vor ihrer Ehe als Lehrerin tätig war, haben die Begabung der Tochter frühzeitig erkannt und unterstützen die Achtzehnjährige bei ihrem Wunsch Malerin zu werden.
Seit dem Wintersemester 1919 waren auch Frauen an der Karlsruher Akademie zugelassen - Ergebnis eines langen-dauernden Protestes von Seiten der Künstlerinnen. Mitte der 1920er Jahre erwarb sich die Badische Landeskunstschule überregional, vor allem mit Künstlern der jüngeren Generation, wie Karl Hubbuch, Wilhelm Schnarrenberger und Georg Scholz, die hier als Lehrer unterrichteten, den Ruf eines Zentrums der Malerei der Neuen Sachlichkeit und des Verismus. Im Sommer 1925 waren sie auf der legendären Ausstellung des Dr. Gustav Hartlaub in der Mannheimer Kunsthalle vertreten, die der ganzen Richtung den Namen gab: »Neue Sachlichkeit«. Die einen, wie George Grosz und Karl Hubbuch, propagierten die Politisierung der Kunst, die anderen, wie Anton Räderscheidt und Alexander Kanoldt, suchten eher nach »seelischen Ausdrucksmöglichkeiten« des Menschen, nach innerer Einkehr infolge von Krieg und Wirtschaftskrisen.
Nüchternheit und Abkehr von Sentimentalität jedenfalls kennzeichnet die Bildwelten dieser Generation und »nur in der Faszination durch den Rhythmus der modernen Metropolen, in der häufigen Fixierung an großstädtische Vorwürfe blieb man dem Expressionismus nahe.« (Wieland Schmied 1986)
ULRIKE OTTINGER ist eine der renommiertesten Autorinnen des Neuen Deutschen Films, zugleich eine international anerkannte Fotografin.
Zum ersten Mal präsentiert Das Verborgene Museum eine Auswahl ihrer Schwarz-Weiß-Portraits in einem visuellen Dialog mit Portraitfotografien aus der gemeinsamen Sammlung Ottinger/Sykora.
Ulrike Ottinger hat ihre künstlerischen Studien 1962 bei Johnny Friedlaender in Paris aufgenommen, wo sie sich durch die Schriften und Vorlesungen von Michel Leiris, Victor Segalen Claude Lévy-Strauss und Pierre Bourdieu inspirieren ließ.
1969 gründet sie in ihrer Geburtsstadt Konstanz die Galerie „galeriepress“ und macht Ausstellungen, u.a. mit Wolf Vostell, David Hockney und R.B. Kitaj.Nach der Realisierung ihres ersten Spielfilms „Laokoon & Söhne“ 1973 geht sie nach Berlin.
Den visuellen Bildphantasien verschrieben, wird für Ulrike Ottinger das Filmemachen zu ihrem Metier: den Spielfilmen „Die Betörung der blauen Matrosen“ (1975) und „Madame X“ (1979) – beide dem eigenwilligen Autorenfilm zuzurechnen – folgt die Berlin - Trilogie mit „Bildnis einer Trinkerin“ (1979), „Freak Orlando“ (1981) und „Dorian Gray im Spiegel der Boulevardpresse“ (1984) – bis heute ein Quell der Erinnerung an atmosphärisch einmalige, inzwischen verschwundene Orte der einst geteilten Stadt.
Erste Ausstellung der Gesellschaftsfotografin Riess seit ihrem Weggang von Berlin 1932 mit 100 Prominenten - Portraits aus den 1920er Jahren
" Ich habe die Rieß um eine Ausstellung ihrer Photographien gebeten, weil sie mit Objektiv und Gummiball Kunst macht ", schreibt Alfred Flechtheim im November 1925 im Katalog zur Ausstellung mit Fotografien von Frieda G. Riess in seiner Galerie am Lützowufer in Berlin.
Dass Alfred Flechtheim 1925 Fotografien in seiner Galerie ausgestellt hat, mag überraschen, dass er, einer der tonangebenden Kunstsammler und Kunsthändler moderner Kunst in den zwanziger Jahren Fotografien in den Rang der Künste erhoben hat, kommt einer Sensation gleich. Auch deshalb gilt uns Flechtheims Urteil über die Fotografien der Riess bis heute als Qualitätszeugnis ersten Ranges. Der schmale Ausstellungskatalog mit 177 Positionen eröffnete den Zugang zu dem weitgehend unbekannten fotografischen Œuvre "Der Riess", zu ihrer Person und den Protagonisten ihrer Portrait- und Aktaufnahmen. Mit den meisten von ihnen hat sie nach Machtantritt der Nationalsozialisten das Schicksal der Emigration geteilt, wodurch die Spuren ihres Lebens beinahe gänzlich verloren sind.
"DIE RIESS" - wie sie bei den Zeitgenossen genannt wurde - war zur ihrer Zeit nicht nur keine Unbekannte, sie war hoch gelobt von der Presse und die Internationalität ihrer Klientel machte ihre Einladungen zum Tee im Atelier weit über Berlin hinaus bekannt. Ähnlich euphorisch wie Flechtheim sprachen Wilhelm von Bode und Georg Kaiser über ihre Portraits und der Kunstkritiker des "8-Uhr-Abendblatts" Kurt Pinthus kam geradezu ins Schwelgen. Während Gottfried Benn ihre Bildniskunst ironisierend aufs Korn nahm, schwärmte die französische Malerin Marie Laurencin in Paris und Vita Sackville-West schrieb begeistert nach London über die Gesellschaft beim Tee im Atelier der Riess.
Louise Rösler gehört einer Generation an, deren Kunst bisher im Höchstfall als Beitrag zum jeweils gegenwärtigen Kunstgeschehen, nicht aber als Beitrag zu seiner Geschichte bewertet wird: der Generation der Frauen, einer noch immer und seit jeher verschollenen Generation.
Das Klima der Nachkriegszeit, d.h. der Versuch einer Re-Vision der Kunstentwicklung ist Louise Rösler zunächst förderlich. Mehrere Einzelausstellungen und die Beteiligung an vielen wichtigen Gruppenausstellungen, ein Stipendium der Deutschen Studienstiftung und zwei Kunstpreise signalisieren Erfolg.
Trotzdem ergeht es Louise Rösler nicht anders als den wenigen weiteren Frauen, deren Bilder … zwar zu sehen sind, deren Namen und Werk gleichwohl im Rückblick nicht plastisch, nicht Begriff werden für ein bestimmtes künstlerisches Wollen – verschollene Kunst, Kunst im Abseits.
Louise Rösler entstammt einer Künstlerfamilie. Schon die Großeltern hatten künstlerische Neigungen. Die Eltern lernten sich während ihrer Studienzeit an der Kunstakademie in Königsberg kennen, wo die Mutter, Oda Hardt, an der Damenklasse – so nannte sich der Studiengang für Frauen – immatrikuliert war, damals noch die Ausnahme und nicht die Regel in staatlichen Ausbildungsstätten. Nach der Eheschließung mit ihrem Studienkollegen Waldemar Rösler hat sie ihre künstlerische Tätigkeit jedoch nicht weiter geführt, was sie später offenbar bereut hat. Der historische Zeitraum, in dem Louise Rösler ihre künstlerische Sprache entwickelt, ist nicht nach Jahreszahlen zu bemessen.
Illustrationen eines Tagebuchs
Die Amateurfotografin, Schriftstellerin und Kunstsammlerin Thea Sternheim (1883-1971) machte zeitlebens von der Familie, von den Freunden und bekannten Schriftstellern, Dichterinnen und Künstlern vorwiegend Portraitaufnahmen. Mit diesen persönlichen Erinnerungsstücken umgibt sie sich – seien sie gerahmt an der Wand, aufgestellt im Regal, in Foto-Mappen und Alben eingeheftet oder als Illustrationen ihren Tagebuchaufzeichnungen zugeordnet.
Thea Sternheim wuchs in einer großbürgerlichen Kaufmannsfamilie in Neuss bei Düsseldorf auf und schon in jungen Jahren galt ihre Begeisterung der Literatur und der alten und zeitgenössischen Malerei. Durch Carl Sternheim, ihren zweiten Ehemann, den sie 1903 kennen lernte, machte sie Bekanntschaft mit Literaten, Künstlerinnen und Künstlern. Nach dem Tod ihres Vaters, Georg Bauer, des Mitinhabers der “Schrauben- und Mutternfabrik Bauer und Schauerte“ erbte sie ein Vermögen, mit dem sie repräsentative Familiensitze erwarb und eine Kunstsammlung anlegte, darunter Gemälde von van Gogh, Renoir, Gauguin, Matisse, so wie Bilder der befreundeten Künstler Ernesto de Fiori und Frans Masereel.
Seit ca. 1905 hat sie eine Fotokamera; sie richtet sich eine Dunkelkammer ein, lässt sich 1912 von einem Herrn Wacker die technischen Feinheiten des Fotografierens erklären und ersetzt ihre Schlitzverschlusskamera durch einen handlichen Goerz-Apparat (eventuell die 1910 auf den Markt gekommene Tenax Camera 4,5x6cm).
Thea Sternheim hat ein ausgeprägtes Bedürfnis, ihre Erlebnisse, die politischen Verhältnisse, Gelesenes und Gehörtes sowie die Entwicklung ihrer drei Kinder und die Begegnungen mit außergewöhnlichen Menschen aus Kunst und Kultur schriftlich und fotografisch festzuhalten. Das Fotografieren gehörte für Thea Sternheim offenbar zu den selbstverständlichen Tätigkeiten des Alltags; jedenfalls hat sie es in ihren ausführlichen Lebensaufzeichnungen nicht der besonderen Erwähnung für Wert befunden. Ihre Portraitaufnahmen illustrieren die ausführlichen Tagebücher, die sie 1903 begonnen hat und von 1909 bis 1971 kontinuierlich geführt hat. Es sind visuelle Zeugnisse einer untergegangenen kosmopolitischen Gesellschaftsschicht aus Kunst und Kultur des 20. Jahrhunderts.
Das menschliche Leid und die schutzlose Kreatur sind für die Berliner Bildhauerin Louise Stomps (1900 – 1988) ein Leben lang Inspiration ihrer künstlerischen Kreativität. Sie stehen im Mittelpunkt ihres Schaffens, das zwischen den ausklingenden 1920er-Jahren und den späten 1980er-Jahren entstanden ist. Fünf Jahrzehnte vollzieht die Bildhauerin den künstlerischen Prozess vom klassischen Körperbild zur stark abstrahierten Figuration; dabei entwickelt sie sukzessive ihren signifikant eigenen Stil.
Die Ausstellung des Vereins DAS VERBORGENE MUSEUM in der Berlinischen Galerie ist die erste Retrospektive, die mit ca. 90 Skulpturen einen Einblick in das Lebenswerk dieser außergewöhnlichen Künstlerin gibt.
Louise Stomps hatte zwar seit 1918 intensiv gezeichnet und modelliert, aber erst zehn Jahre später, nach der Scheidung von ihrem Ehemann, konnte sie sich, Mutter zweier Töchter, der Kunstausübung widmen. Von dem verbreiteten Vorurteil, Künstlerinnen seien doch besser im Kunsthandwerk untergebracht, ließ sie sich nicht entmutigen und nahm zwischen 1928 und 1932 am Unterricht in der Abendklasse der „Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Künste“ in Berlin teil; darüber hinaus schulte sie sich bei Milly Steger (1881–1948) in der Bildhauerinnenklasse des »Vereins der Berliner Künstlerinnen«.
Marianne Strobl (1865-1917), die selbstbewusste Frau und Fotografin, die nicht wie viele ihrer Berufskolleginnen als Portraitfotografin im Atelier ihr Geld verdienen wollte, hat ein fotografisches Werk hinterlassen, das für die Fotografie-Geschichte ein Glücksfall darstellt. Sie war zwischen 1894 und 1917 auf Großbaustellen und in Industriebetrieben unterwegs und wird wohl nicht zu Unrecht als »erste Industriefotografin« der k.u.k. Monarchie bezeichnet.
Die Kenntnisse über ihr Leben sind nur sehr spärlich: Sehr wahrscheinlich hat sich Marianne Strobl im exklusiven »Club der Amateur-Photographen in Wien«, zu dem sie vermutlich über ihren Mann, den Vermessungstechniker Josef Strobl, Zugang hatte, die notwendigen Kenntnisse im Umgang mit dem Fotoapparat, den Fotoplatten und den Geheimnissen der Dunkelkammer angeeignet. Eine Ausbildung an der 1888 gegründeten »K.K. Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie und Reproductionsverfahren in Wien« war ihr noch nicht möglich, weil Frauen erst 1908 Zugang zu der Wiener Ausbildungsstätte hatten.
Die Ausstellung mit Werken der in Marseille geborenen und in Deutschland gestorbenen Malerin Mathilde Tardif (1872-1929) ist die erste Begegnung mit ihren Gemälden in einer Einzelausstellung.
Ca. 70 Werke zwischen 1897 und 1929 entstanden, geben erstmals Einblick in das Werk der in den 1890er-Jahren in Paris an der Académie Julian ausgebildeten Malerin.
An der Académie steht Mathilde Tardif in der Tradition der Nabis, einer Gruppe rebellischer junger Kunststudenten um Maurice Denis; sie geht aber sowohl thematisch als auch malerisch ganz eigene Wege.
Die Themen ihrer gesellschaftskritischen Beobachtungen findet sie im Alltag der kleinbürgerlichen und bourgeoisen Gesellschaft und stilistisch lassen sich sowohl Vorbilder bei den Symbolisten wie beim Jugendstil finden
Es war die Zeit der Dritten Französischen Republik (1870-1940) in Paris, der sprichwörtlichen Hauptstadt der Kunst. Unter Einfluss der Impressionisten haben seit Mitte des 19. Jahrhunderts Alltagsthemen Eingang in die Kunst gefunden und wie Mathilde Tardif beschäftigten auch Thèophile-Alexandre Steinlen (1859-1923) die Verhältnisse der kleinen Leute und Henri Toulouse-Lautrec (1864-1901) die zwielichtige Welt der nächtlichen Vergnügungen.
Die Intimität des kleinen Formats erfordert eine besondere Konzentration bei der Betrachtung des krassen Elends, der von Tod und Todesahnung Gezeichneten sowie der Szenen käuflicher Liebe.
Mit der Ausstellung »Wahlverwandtschaften« widmet sich DAS VERBORGENE MUSEUM Portraitfotografien von Fotografinnen der um 1900 geborenen Generation. Vom 22. Oktober 2020 bis zum 28. März 2021 (Verlängerung) werden u.a. Portraits von Eva Besnyö, Lotte Jacobi, Frieda Riess, Thea Sternheim und Yva zu sehen sein, die mit ihren markanten Nahaufnahmen die Fotografie der 1920/30er-Jahre geprägt haben. Fotografinnen haben ein feines Sensorium für Kamera-Begegnungen – als professionelle ebenso wie als Amateurinnen.
Wahlverwandtschaftliche Beziehungen leben von einer Geistes- bzw. Seelenverwandtschaft, von einer unausgesprochenen Anziehungskraft zwischen nicht näher bekannten Personen, die sich besonders auch beim Akt des Portraitierens immer wieder einstellt. Die Spannungen aus Fremdheit und Nähe, aus Distanz und Anziehung bestimmen maßgeblich das Miteinander von Fotografin und Modell, schließlich auch die anhaltende Faszination der Portraits. Sie bezeugen Freundschaften, wecken Erinnerungen und vermitteln intime Stimmungen. Sie zeigen Gesicht, wenn sie im Auftrag entstehen, erzählen von vertrauten Begegnungen oder dokumentieren technische Experimente. Oft sind sie auch die einzigen Zeugnisse eines prekären, überraschenden oder technisch ausgeklügelten Bilddialogs.
Im Berliner „Welt-Spiegel“ erschien 1926 der Beitrag „Neue Wege der Photographie“, u.a. illustriert mit dem Selbstbildnis der Photographin Else Ernestine Neulaender, genannt Yva. Es ist die früheste, bislang bekannt gewordene Veröffentlichung über die Photographin, die heute als Legende durch die Presse geht, deren Werk aber noch weitgehend unbeachtet geblieben ist.
Das Selbstbildnis ist eine Doppelbelichtung aus einem in strenger Axialität photographierten Brustbild und der Reproduktion eines Gemäldes von Yvas Künstlerkollegen Heinz Hajek-Halke. Doppelbelichtungen gehörten seit den Anfängen der Photographie zur photographischen Grundausbildung, wurden aber – mit wenigen Ausnahmen - nur zur optischen Irritation oder als Scherzbilder angefertigt. Mitte der zwanziger Jahre, als die Avantgardisten das photographische Experiment über das gegenstandstreue Abbilden stellten, stand bei Photographinnen und Photographen das Ausloten der medienspezifischen Möglichkeiten im Zentrum ihres Interesses. Mit ihren Doppel- und Mehrfachbelichtungen gehörte Yva zu den ersten experimentierfreudigen Photographinnen und Photographen des Jahrzehnts. Somit ist das Selbstbildnis eine Bildkomposition aus gemalten geometrischen und amorphen Konfigurationen, in die das ebenmäßige Oval des Gesichts mit den schwarzen Keilen und konzentrischen Kreisformen als Form unter Formen hineinspielt. Beim genauen Hinsehen erscheint auf dem Gesicht – vielleicht in Anspielung auf das Pseudonym Yva – die Lineatur eines Y. Die künstlerischen Ahnen dieser Doppelbelichtung sind unschwer auszumachen, erinnert doch die mit photographischen Mitteln erzeugte Geometrisierung des Gesichts stark an das kubistische Formenrepertoire.
Yva wurde am 26. Januar 1900 als Else Ernestine Neulaender in Berlin geboren und wuchs als jüngstes von neun Kindern mit vier Brüdern und vier Schwestern in Kreuzberg auf. Ihr Vater, Siegfried Neulaender, war Kaufmann, die Mutter Jenny Neulaender stammte aus einer Handwerkerfamilie und führte als Modistin nach dem Tode ihres Mannes das Geschäft weiter. Die Familie war mosaischen Glaubens, lebte aber wie viele Juden in Berlin nicht nach dem Ritus.