DIE RIESS
Erste Ausstellung der Gesellschaftsfotografin Riess seit ihrem Weggang von Berlin 1932 mit 100 Prominenten - Portraits aus den 1920er Jahren
" Ich habe die Rieß um eine Ausstellung ihrer Photographien gebeten, weil sie mit Objektiv und Gummiball Kunst macht ", schreibt Alfred Flechtheim im November 1925 im Katalog zur Ausstellung mit Fotografien von Frieda G. Riess in seiner Galerie am Lützowufer in Berlin.
Dass Alfred Flechtheim 1925 Fotografien in seiner Galerie ausgestellt hat, mag überraschen, dass er, einer der tonangebenden Kunstsammler und Kunsthändler moderner Kunst in den zwanziger Jahren Fotografien in den Rang der Künste erhoben hat, kommt einer Sensation gleich. Auch deshalb gilt uns Flechtheims Urteil über die Fotografien der Riess bis heute als Qualitätszeugnis ersten Ranges. Der schmale Ausstellungskatalog mit 177 Positionen eröffnete den Zugang zu dem weitgehend unbekannten fotografischen Œuvre "Der Riess", zu ihrer Person und den Protagonisten ihrer Portrait- und Aktaufnahmen. Mit den meisten von ihnen hat sie nach Machtantritt der Nationalsozialisten das Schicksal der Emigration geteilt, wodurch die Spuren ihres Lebens beinahe gänzlich verloren sind.
"DIE RIESS" - wie sie bei den Zeitgenossen genannt wurde - war zur ihrer Zeit nicht nur keine Unbekannte, sie war hoch gelobt von der Presse und die Internationalität ihrer Klientel machte ihre Einladungen zum Tee im Atelier weit über Berlin hinaus bekannt. Ähnlich euphorisch wie Flechtheim sprachen Wilhelm von Bode und Georg Kaiser über ihre Portraits und der Kunstkritiker des "8-Uhr-Abendblatts" Kurt Pinthus kam geradezu ins Schwelgen. Während Gottfried Benn ihre Bildniskunst ironisierend aufs Korn nahm, schwärmte die französische Malerin Marie Laurencin in Paris und Vita Sackville-West schrieb begeistert nach London über die Gesellschaft beim Tee im Atelier der Riess.
Die Aktaufnahmen, vor allem die Männerakte von Boxern, spiegeln die erotisch aufgeladene Atmosphäre der Zeit und machten die Ausstellungen im Atelier am Kurfürstendamm zum exklusiven Treffpunkt von außergewöhnlichem Reiz.
Frieda G. Riess, 1890 geboren, kam aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie, die im westpreussischen Czarnikau (heute: Carnkov), in der Provinz Posen, ansässig war, bis sie sich auf den Weg nach Berlin gemacht hat. Soweit bis jetzt bekannt, hat sie 1918 das Atelier am Kurfürstendamm im modischen Berliner Westen eröffnet und unter anderem mit Theateraufnahmen, Gemälde-Reproduktionen und der Unterweisung von Amateur-Fotografen Geld verdient.
Anfang der zwanziger Jahre mit dem Juristen und Lektor, dem Pazifisten und Lyriker Rudolf Leonhard verheiratet, entstanden die für ihre Portraitarbeit so fruchtbaren Kontakte zu Freunden und Bekannten unter den Theaterleuten, Filmschauspielerinnen und Schriftstellern, darunter Walter Hasenclever, Tilla Durieux, Fritzi Massary, Ivan und Claire Goll, Max Herrmann - Neisse und eben auch zu Alfred Flechtheim.
Schon bald aber verstand sie es, den Kreis der Protagonisten ihrer Bildnisse zu erweitern: auf Tänzer und Varieté-Stars, bildende Künstler und Künstlerinnen, auf die so beliebten Box-Sportler und vermehrt kontaktierte sie die Vertreter der alten Aristokratie, Diplomaten, Politiker und Banker, vornehmlich deren Gattinnen, wie sie weitgehend auch bei Flechtheim aus und ein gingen: Asta Nielsen, Emil Jannings, Margo Lion, Renée Sintenis, die Mistinguett, Pierre de Margerie, Margarete, Gerhart und Benvenuto Hauptmann, Lil Dagover, Gottfried Benn, Xenia Boguslawskaja, Baronin von der Heydt, Else und Albert Einstein, Max Liebermann, Gräfin Bismarck, Anna Pawlowa etc.
DIE RIESS reiste nach Paris, London und Rom, bewegte sich hier in denselben politisch-aristokratischen Kreisen und überraschte das Publikum in Berlin mit ihren neuesten Aufnahmen aus dem Ausland - darunter einem Mussolini-Portrait 1929, das noch in der Emigration in Paris die Gemüter ihrer Besucher erhitzte.
Hunderte von Portraits ergeben das Panorama einer ganz und gar nicht homogenen Berliner Gesellschaft, die durch den Schock des Zusammenbruchs nach dem Ersten Weltkrieg verunsichert war und sich aus Angst vor der Zukunft gerne durch Drogen und halbseidene Vergnügungen betäubt hat.
So verschieden die Herkunft, so unterschiedlich der Lebenswandel, die Treffpunkte in der Stadt waren für die meisten dieselben: die Galerien von Flechtheim, Cassirer und Walden, die Varietés und die Berliner Bühnen von Max Reinhardt und Karl-Heinz Martin, Restaurants, Cafés und Nachtclubs rund um den Kurfürstendamm, die privaten Salons bei Kunstsammlern, Verlegern und Diplomaten und neuerdings auch der Boxring und der Tennisplatz, wo sich Unterhaltung mit Geschäft und Politik unauffällig verbinden ließen.
DIE RIESS beherrschte die hohe Schule der fotografischen Portraitkunst und ihre Aufnahmen gehören heute in eine Reihe mit den Großen ihrer Zeit: mit Hugo Erfurth, Madame D´Ora, Lotte Jacobi, Edward Steichen, etc. Mit der Emigration nach Paris 1932 brach ihre kreative fotografische Tätigkeit ab, so jedenfalls müssen wir annehmen.
Bis heute haben wir keine fotografischen Zeugnisse aus Paris auffinden können so wie auch der Nachlass der Riess bisher nicht aufgetaucht ist.
Biografie
Künstlerinnen P-T
Publikationen P-T
DAS VERBORGENE MUSEUM zu Gast
in der BERLINISCHEN GALERIE
Landesmuseum für Moderne Kunst
Fotografie und Architektur
ERÖFFNUNG
Donnerstag, 05. Juni 2008 | 19 Uhr
Es sprechen
Prof. Jörn Merkert
Direktor der Berlinische Galerie
André Schmitz
Staatssekretär, Senatskanzlei - Kluturelle Angelegenheiten, Berlin
Elisabeth Moortgat
Das Verborgene Museum
Anschließend liest
Wolfgang Unterzaucher
Gedichte von Gottfried Benn
LAUFZEIT
06. Juni - 20. Oktober 2008
ÖFFNUNGSZEITEN
BERLINISCHE GALERIE
täglich ausser Dienstag 10-18 Uhr
Eintrittspreise
Tageskarte: 6,-- €, ermäßigt 3,-- €
Jeden ersten Monat im Monat 2,--€
Freier Eintritt bis 18 Jahre
VERANSTALTUNG
Lange Nacht der Museen 30.08.2008
geöffnet bis 2 Uhr
AusstellungsAdresse
BERLINISCHE GALERIE
Alte Jakobstarsse 124 - 128
10969 Berlin
URL: berlinischegalerie.de
Fon: +49(0)30 78 902-600
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Verkehrsanbindungen
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Busse M29, M41, 248
VERANSTALTER-STANDORT
DAS VERBORGENE MUSEUM
Schlüterstrasse 70
10625 Berlin-Charlottenburg
Bildzitate | Ausstellung DIE RIESS Fotografisches Atelier und Salon in Berlin 1918 - 1932 | 05.06. 2008 - 19.10. 2008
Publikation zur Ausstellung
DIE RIESS | Fotografisches Atelier und Salon in Berlin 1918-1932
Hrsg von Marion Beckers und Elisabeth Moortgat 256 S., 225 Abb. in Duoton, deutsch/englisch, Verlag Wasmuth
32,- € im Museum, ca. 39,80 € im Buchhandel
Die Ausstellung wurde durch eine Zuwendung des HAUPTSTADTKULTURFONDS ermöglicht und unterstützt durch die Senatskanzlei — Kulturelle Angelegenheiten, Berlin: Künstlerinnenprogramm
STANDORT > ADRESSE
Der Verein DAS VERBORGENE MUSEUM | Dokumentation der Kunst von Frauen eV hat seine Tätigkeit seit dem 1. Januar 2022 eingestellt.
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