16. October 2004 - 12. December 2004

KATHARINA ELEONORE BEHREND

Fotografien 1904 – 1928 | REISE • PORTRAIT • ALLTAG

 

 

Katharina Eleonore Behrend (1888–1973) gehört zur zweiten Generation fotografierender Amateure, von denen die meisten namenlos geblieben und unter denen nur wenige Frauen zu finden sind.
Behrends fotografischer Nachlaß, der in der Stichting Nederlands Fotoarchief, Rotterdam, bewahrt wird, ist als Dokument Europäischer Amateurfotografie mit Bildbeispielen aus den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts von überraschender Vielseitigkeit.

Ausflüge, Sommerfreuden, Spiel und Sport im Freien und Reiseeindrücke waren bei den Amateuren so beliebte Motive wie spielende Kinder und die Portraitaufnahmen von Freunden und Verwandten, die als bürgerliche Ahnengalerie in Fotoalben in Ehren gehalten wurden.
Besonders beliebt waren Bilder vom neuzeitlichen Freizeitvergnügen, vom Strand- und Badeleben an der See oder in öffentlichen Badeanstalten mit leicht bekleideten Menschen wie auf Behrends Aufnahme vom ostfriesischen Inselstrand auf Langeoog, auf der sich ihr Bruder Walter beim kühnen Sprung über einen hoch aufgerichteten Liegestuhl versuchte – ein frühes Beispiel fotografisch fixierter Bewegung aus der Hand einer Amateurin.

Vergleichbar unter Amateurfotografien sind Aufnahmen ihres Zeitgenossen Jacques-Henri Lartigue, der wie sie die Familie im Urlaub, mit Vorliebe aber Geschwindigkeit wie den Augenblick eines vorbei rasenden Autos oder ähnlich atemberaubende Momente festhielt.
Natürlichkeit und Spontaneität zeichnen diese Aufnahmen aus, wie wir sie erst aus der zweiten Hälfte der 1920er Jahre gewohnt sind. Behrends Sprung läßt sich von heute aus auch als Sprung in die neue Zeit – die Epoche der Freikörperkultur und Lebensreformbewegung, aber auch der Technik- und Tempobegeisterung lesen. In der Amateurfotografie ging es um Stimmungen und Emotionalität, um eigentümliche und überraschende Momente, nicht um das geglättet retuschierte Bild, wie es die Berufsfotografen pflegten.

1888 in eine weltoffene Familie in Leipzig hinein geboren und seit 1900 in Hannover aufgewachsen, begeisterte sich Katharina Eleonore Behrend früh für die Malerei. Der Bruder Walter wurde Maler, ihre Schwester Else studierte zuerst Malerei bei Franz Skarbina in Berlin, wurde dann aber pädagogisch ambitionierte Säuglingspflegerin und ihre Schwester Hilde war als Oberschullehrerin und Wanderlehrerin tätig.

Katharina lernte Sprachen, war in der Musik zu Hause, und ihre Leidenschaft für das Theater lebte sie bei den Aufführungen aus, die mit Freunden und Gleichgesinnten mehrmals im Jahr auch zu Wohltätigkeitsanlässen im eigenen Hause stattfanden. Sie kleidete sich nach den neuesten Erkenntnissen der Reformkleidbewegung, deren erste  Kundgebungen in Hannover sie zusammen mit der Mutter besuchte. Ihr Vater, vielseitig interessierter Professor für Chemie und engagierter Amateurfotograf, führte die Tochter mit sechzehn Jahren in die Fotografie, den Zeitvertreib der gehobenen Klasse, ein. Seitdem fotografierte sie regelmäßig, hatte sie die Kamera immer dabei.

In dieser unkonventionell freigeistigen Atmosphäre des Elternhauses genoß Katharina Eleonore Behrend einen modernen Lebensstil, verbunden mit einer für Frauen noch unüblichen Freizügigkeit. Sie machte Reisen, in die Alpen und nach Italien an den Gardasee, für ein halbes Jahr zu Verwandten nach Algerien, wo sie das orientalische Leben der Menschen in der Wüste, das Kamelreiten und geschäftige Treiben im Bazar fotografierte. Über zwei Jahrzehnte führte Behrend ein Fotodossier mit detaillierten Angaben zu jeder einzelnen Aufnahme und notierte zusätzlich im Tagebuch in lebendig emotionalem Stil ihre Erlebnisse, Erfahrungen und  Enttäuschungen.

Ihre Begeisterung für die Kunstgeschichte läßt sie in ihren fotografischen Motiven durchscheinen, beispielsweise wenn sie sich selbst in Aktaufnahmen nach dem Vorbild kunsthistorischer Inkunabeln wie beispielsweise der »Quelle« von Ingres inszeniert.

Ihre Begeisterung für Natur und Landschaft war auch der Zeit geschuldet, in der die Freikörperkultur das Ausleben des unbekleideten Körpers in frischer Luft zum Zwecke eines gesünderen Verhältnisses zu sich selbst  propagierte. »Es war so überendlich schön! Im seligen Abendlicht mit zauberhaft intensiven Sammetfarben all die hochherrlichen Berge!« notiert sie während einer Alpenreise 1909.

1913 heiratet Katharina Eleonore Behrend einen holländischen Unternehmer, einige Jahre darauf werden ihre beiden Töchter geboren, und sie muß sich an die Pflichten einer jungen Ehefrau und Mutter gewöhnen, aber dennoch pflegt sie ihre Interessen weiter. In der Fotografie werden nun andere Motive wichtig: In sachlicher Manier fotografiert sie die Dampfmaschinenfabrik ihres Mannes im holländischen Leiden, vorwiegend die monumentalen Kessel, neben denen sie fröhliche Kinder und selbstbewußte Arbeiter wie kleine Staffagefiguren platziert.

Zu keinem Zeitpunkt aber hatte Katharina Eleonore Behrend vor, aus ihrer extensiven Liebhaberei einen Beruf zu machen.

Die Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit der Stichting Nederlands Fotoarchief in Rotterdam zustande kam, zeigt von ca. 900 existierenden Aufnahmen eine Auswahl von 70 Fotografien – neben einer Entdeckung für die Amateurfotografie zugleich ein frühes Bilddokument aus dem Leben einer großbürgerlich-gebildeten, emanzipierten Frau.

 

Biografie  
Künstlerinnen A-E

Künstlerinnen: Übersicht

Eröffnung

Freitag, 15. Oktober 2004 | 19 Uhr

Es sprechen
Elisabeth Moortgat, DAS VERBORGENE MUSEUM  

Barbara Kisseler, Staatssekretärin 
Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur  

Ferdinand Dorsman, Botschaftsrat für Kultur
Botschaft des Königreichs der Niederlande  

Flip Bool, Direktor Stichting Nederlands Fotoarchief Rotterdam


LAUFZEIT   
16. Oktober 2004 – 12. Dezember 2004


ÖFFNUNGSZEITEN    
Mi – Fr 15 –19 Uhr | Sbd – So 12 – 16 Uhr

STANDORT > ADRESSE

Der Verein DAS VERBORGENE MUSEUM | Dokumentation der Kunst von Frauen eV
hat seine Tätigkeit seit dem 01. Januar 2022 eingestellt.

mehr erfahren Sie hier:


AKTUELLE Rufnummer
+49 (0) 30 861 34 64

MAIL >  ADRESSE

 

Flyer zur Ausstellung


Zur Ausstellung liegt die Publikation vor:

Katharina Eleonore Behrend – Foto’s / Photographien 1904-1928, niederländisch/deutsch, Leiden und Hannover (1994) für 14,90 € nur an der Museumskasse.

Eine Ausstellung Im Rahmen:
„Monat der Fotografie - Paris . Berlin . Wien“  -  November 2004

Unterstützt von der Senatsverwaltung Wissenschaft, Forschung und Kultur, Berlin -  Künstlerinnenprogramm.
Mit Dank für die finanzielle Unterstützung durch die Botschaft des Königsreichs der Niederlande

 

 

 

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