GERTRUD ARNDT (1903-2000)
Fotografien der Bauhauskünstlerin
„Als ich nach Weimar kam (1923), konnte niemand photographieren. Die einzige, die photographieren konnte, war Lucia Moholy, die hatte es gelernt. Und ich auch. Ich konnte ja photographieren.“ (Gertrud Arndt, Darmstadt 1993)
Wer im Bauhaus zur Kamera griff, war von dem maschinellen Zauber fasziniert, Realität und Gestaltung oder wie die Bauhäusler selbst sagten Kunst und Leben auf neue Weise zu verbinden. In Kellern und Badezimmern wurden behelfsmäßige Dunkelkammern eingerichtet und wer nicht mit der billigen 9 x 12 cm Box fotografierte, sparte, um sich den Luxus einer Voigtländer, einer Ermanox oder von 1925 ab eine handliche Leica leisten zu können.
Es ging um die Lust der Entdeckung, nicht um das Ergebnis, so dass ein großer Teil der Fotografien sofort auch wieder verworfen wurde. Sie fotografierten nebenbei und vor allem aus Spaß. Die Welt mit neuen Augen zu sehen, dafür standen die neuen technischen Apparate wie die Fotokamera und der Film. Gertrud Arndt hat sich ein Leben lang an den ungeheuren Eindruck erinnert, den Eisensteins Filme durch die ungewohnten Perspektiven und die Nahaufnahmen hinterließen. „Die Nahaufnahmen waren es, die uns an Potemkin so faszinierten“. (1993)
1903 in im oberschlesischen Ratibor geboren, überrascht die Bauhäuslerin Gertrud Arndt mit einem ungewöhnlichen Lebensweg. Von der Avantgarde der Zwanziger Jahre fasziniert und ein Leben lang geprägt, geht sie – für eine Frau ihrer Generation eine Ausnahme - in Erfurt zu dem Architekten Karl Meinhardt in die Lehre. Hier kam sie zum ersten Mal mit Fotografie in Kontakt: Sie ging dem Architekten zur Hand, der für ein Dokumentationsbuch die Architektur der Stadt zu fotografieren hatte – für beide ein ungeübtes Terrain.
1920 nimmt Gertrud Arndt mit einem Stipendium die Ausbildung am Bauhaus Weimar auf. Sie will Architektin werden und findet einen Kurs für Baulehrer vor. Wohl nicht ganz aus freien Stücken, wechselt sie dann aber in die Werkstatt für Weberei. Der Architekturbereich war für Frauen nicht vorgesehen ebenso wie ihnen auch der Zugang zur Metallwerkstatt nicht möglich war.
Nachdem sie bei Laszlo Moholy-Nagy den Vorkurs und die obligatorischen Grundkurse bei Paul Klee und Wassily Kandinsky absolviert hatte, legte ihr Georg Muche wegen ihrer Kompositionszeichnungen, in denen er ideale Teppichmuster erkannte, nahe, die Weberei zu besuchen – auf diese Weise wurden alle Studentinnen in die Weberei abgeschoben.
Heute gehören ihre Teppiche und Wandbehänge neben den Webarbeiten von Gunta Stölzl und Otti Berger zu den herausragenden Produkten dieser Abteilung und sie werden immer noch in Lizenz hergestellt. 1927 macht Gertrud Arndt ihre Gesellenprüfung und in dasselbe Jahr fällt auch ihre Heirat mit dem ehemaligen Bauhäusler Alfred Arndt, mit dem sie – ohne berufliche Einbindung - als Gattin an der Seite des zum Meister der Ausbauwerkstatt berufenen Architekten an das Bauhaus nach Dessau zurückkehrt. Im Kontakt mit der unter der Leitung von Walter Peterhans neu eingerichteten Abteilung für Fotografie beginnt sie ihre Versuche mit einer einfachen 4 x 6 cm Kamera wieder aufzunehmen. Es entstehen Alltagsszenen vom Leben am Bauhaus, „Bauhäusler auf der Leiter“, das „Selbstportrait mit Alfred Arndt“ in der revolutionär steilen Unter- bzw. Obersicht, die sich in diesen Jahren als Neuerung aus der russischen Fotografie durchzusetzen begann. Aber auch in ihren Sachaufnahmen lassen sich Merkmale innovativen Gestaltens festmachen, beispielsweise den „Gläsern“, die aus der Transparenz des Materials in Verbindung mit der Rhythmisierung durch die Reihung eine besondere optische Wirkung erzielen.
Diese Aufnahmen zeigen, dass Gertrud Arndt mit den Spielregeln der Neuen Sachlichkeit vertraut war, aber vor allem war sie – lange vor Cindy Sherman – die Portraitistin ihrer selbst, fasziniert davon, wie das Bild eines Menschen durch Mienenspiel und Verkleidung zu verändern ist.
Unverwechselbar ist ihre Serie von knapp fünfzig Selbstportraits, den sogenannten Maskenfotos. In diesen variationsreichen Selbstdarstellungen ist Gertrud Arndt ihr eigenes Modell, begibt sie sich in immer neue Rollen; in scheinbar unendlicher Reihe ist sie immer wieder eine andere und doch immer dieselbe. Subjekt und Objekt in einer Person, sind die Inszenierungen für Gertrud Arndt ein Zeitvertreib, Amüsement, aber auch Provokation. Die Fotografin greift mit den Selbstdarstellungen ein zeittypisches Thema auf: die Frage nach der Identität, nach Bestimmung und Neubestimmung des Selbst wie es typisch ist für Zeiten des gesellschaftlichen Umbruchs. In keinem Kunstwerk dieser Epoche hat das „Ich bin Viele“ einen so facettenreichen Ausdruck gefunden wie in dem fiktiven Roman „Orlando“ von Virginia Woolf aus dem Jahr 1928.
Die mondäne Erscheinung, das schüchterne Mädchen, die trauernde Witwe, die Frömmelnde, die Eitle und die Verspielte in Spitzen und Tüll, mit Federhüten, Seidenblumen und Schleiern repräsentieren sie eine andere Welt als die von Sachlichkeit und rechtem Winkel. Selbst auf die sonst recht aufgeschlossenen Bauhäuslerinnen und Bauhäusler müssen ihre Maskeraden verwegen und frivol gewirkt haben.
Infolge der Schließung des Bauhauses in Dessau 1932 erhält Alfred Arndt im August die fristlose Kündigung von der Stadt. Die Familie übersiedelt nach Probstzella, wo sich Gertrud Arndt eine Dunkelkammer einrichtet und eine Leica kauft. Sie fotografiert – nebenbei – wieder Architektur, die ihres Mannes. Zur berufsmäßigen Fotografie kommt es nicht mehr.
Biografie
Publikationen A - E
Künstlerinnen A - E
mit dem Bauhaus-Archiv Berlin
ERÖFFNUNG
Mittwoch,19. Januar 1994 | 19 h
Magdalena Droste, Bauhaus-Archiv Berlin
Autobiografisches von Alfred Arndt
20. Januar - 13. März 1994
Do - Fr 15 - 19 h | Sa - So 12- 16 h
Photographinnen der Weimarer Zeit
inszenieren sich selbst
" da fährt es ja, das leben, paula "
Frauenträume von Jelinek und Bachmann
"Fiktion androgyn" Zum Beispiel 0rIando
Susanne Berneck: Laute, Gitarren
der Reihe SCHAUPLATZ MUSEUM
Museumspädagogischer Dienst Berlin
Texte zur Streikkultur
Kerstin Hacker : Schlagzeug
Eine Veranstaltung zum Charlottenburger Frauenfrühling
VERANSTALTUNGSORT
DAS VERBORGENE MUSEUM
Dokumentation der Kunst von Frauen e.V.
Schlüterstr. 70
10625 Berlin-Charlottenburg
Bildzitate | Ausstellung Gertrud Arndt | 20. Januar - 13. März 1994
EINLADUNGSKARTE | zur Ausstellung
AKTUELLE Rufnummer
+49 (0) 30 861 34 64
MAIL>ADRESSE | weiterhin aktuell
berlin@dasverborgenemuseum.de
Für die finanzielle Unterstützung danken wir der Senatverwaltung für Kullurelle AngeIegenheiten
STANDORT > ADRESSE
Der Verein DAS VERBORGENE MUSEUM | Dokumentation der Kunst von Frauen eV
hat seine Tätigkeit seit dem 1. Januar 2022 eingestellt.
mehr erfahren Sie hier: