RIESS, DIE
RIESS, DIE
1890
1954
Biografie

 

1890
am 21. Juni wird Frieda Gertrud Riess in Czarnikau/Czarnków, Westpreußen, geboren. Ihr Vater, Emil Riess (ca. 1898 verstorben), war um 1882 Färberei-Besitzer, später Kaufmann und mit Selma Riess, geborene Schreyer (ca. 1920 gestorben) verheiratet; beide waren mosaischen Glaubens. Außer der Tochter Frieda hatten sie noch zwei Söhne: Alfred, 1882 geboren, Jurist, und Walter, 1884 geboren, Kaufmann.

1898
Selma Riess ist erstmals im Berliner Adressbuch als Rentiere eingetragen und mit ihren Kindern – östlich vom Alexanderplatz – wohnhaft in der Wallner-Theaterstraße. Umzüge in die Cuxhavener- und Klopstockstraße im Tiergarten-Viertel.

1907/08
Selma und Frieda Riess ziehen in die Moabiter Levetzowstraße 13. Frieda Riess nimmt bei dem Bildhauer Hugo Lederer Unterricht und sammelt erste Erfahrungen mit der Kamera beim Fotografieren seiner Bildwerke.

1913
Frieda Riess beginnt im Wintersemester mit einer zweijährigen Ausbildung zur „Photographengehilfin“ an der 1890 eingerichteten Photographischen Lehranstalt des Lette-Vereins in Berlin.

1914
Am 1. August erklärt das Deutsche Kaiserreich Russland den Krieg.
Der Lette-Verein ist in die Kriegsunterstützung erheblich einbezogen.

1915
Frieda Riess schließt im Sommer 1915 die Ausbildung mit einer Prüfung vor der Handwerkskammer ab.

1916
Selma Riess zieht nach Charlottenburg in die Sybelstraße.

1917
Der früheste Beleg für die Existenz des „Ateliers Riess“ am Kurfürstendamm 14/15/ Ecke Joachimsthalerstraße ist der Eintrag im Katalog zur  31. Ausstellung der Berliner Secession 1917: „Photographische Aufnahmen vom Atelier Riess“. Mit einer Anzeige „Photographie Atelier Riess“ wirbt die Fotografin im Katalog der  34. Ausstellung der Berliner Secession“ 1918 für ihr Atelier „gegenüber der Berliner Secession“. 1922 ist sie außerdem mit einer Wohnung im selben Haus eingetragen. Der Kurfürstendamm 14/15 bleibt bis 1932 ihre Adresse.

1918 - 1921
Frieda Riess spezialisiert sich auf Portraits von darstellenden und bildenden Künstlerinnen und Künstlern, macht Tanzaufnahmen, vereinzelt Theater- und Interieuraufnahmen, die in Photojahrbüchern und illustrierten Zeitschriften erscheinen wie z.B. in: Die Dame, Berliner Illustrirte Zeitung, Das Illustrierte Blatt, den illustrierten Wochenbeilagen Zeitbild (Vossische Zeitung), Der Weltspiegel (Berliner Tageblatt).

1919 - 1922
Zwischen 1919 und 1922 war Frieda Riess mit dem Schriftsteller und Pazifisten Rudolf Leonhard (1889-1953) verheiratet. Leonhard geht auf Einladung von Walter Hasenclever 1927 nach Paris. 1940 wird er als Jude und Sozialist von den Nationalsozialisten in Le Vernet und Castres interniert; es gelingt ihm zu überleben. Seine „Traumprotokolle“ sind die einzigen Zeugnisse der Ehe mit Frieda Riess.

1921
Alfred Flechtheim gründet mit Hermann von Wedderkop als Herausgeber den „Querschnitt“. Am 1. Oktober eröffnet er seine Galerie in Berlin.

Die Riess nimmt neben Suse Byk, Nicola Perscheid, Karl Schenker u.a. teil an der Ausstellung „Berliner Photographie“ im Lichthof des Kunstgewerbemuseums (heute: Martin-Gropius-Bau) mit zehn Bildnissen, darunter Lil Dagover, Tilla Durieux, Trude Hesterberg.

Die von dem Architekten Walter Würzbach ausgestattete Wohnung des Kunstsammlers Wolfgang Gurlitt wird in der Dame vorgestellt und mit Aufnahmen der Riess illustriert; die Riess lässt sich ihr Atelier ebenfalls von Walter Würzbach ausstatten.

Riess fotografiert für Filmproduktionen: Das Weib des Pharao (Ernst Lubitsch), Das indische Grabmal (Joe May), Maciste und die chinesische Truhe (Curt Boese), Monna Vanna (Richard Eichberg); diverse Veröffentlichungen im
Film-Kurier.

1922
Gerhart und Margarete Hauptmann lassen sich im Atelier Riess portraitieren. Im illustrierten Monatsblatt „Deutsche Kunst und Dekoration“ erscheint der Beitrag „Photographie von Riess“ von Georg Kaiser.

Erste Einzelausstellung mit Portraits von Georg Kaiser, Max Herrmann-Neiße, Angelica Archipenko u.a. in dem exquisiten Antiquitäten-Geschäft Friedmann & Weber GmbH in der Budapesterstraße, später: Friedrich-Ebert-Straße.

1923
Teilnahme an der Ausstellung „L’arte nella fotografia“ in Turin mit ihrem Selbstportrait und einem Portrait von Angelica Archipenko

1924
Alice Hirsekorn (1900-1964) kommt als Schülerin ins Atelier Riess. 1928 eröffnet Hirsekorn ein eigenes Atelier in der Meinekestraße.

1925
Einzelausstellung in der Galerie Flechtheim mit Portraits, überwiegend von Theaterleuten, Dichtern, Tänzerinnen, Adligen und Diplomaten. Die Ausstellung hatte ein überwältigendes Presse-Echo, das „Die Riess“ als Gesellschaftsfotografin international bekannt gemacht hat.

1926
Durch die Mitgliedschaft Deutschlands im Völkerbund wird zwischen Paris und Berlin wieder ein offizieller Kulturaustausch gepflegt.

Reise nach Paris. Erste Ausstellung im eigenen Atelier: „Bilder einer Studienreise nach Paris“ mit Portraits von André Gide, Paul Valéry, Victor Margueritte, Kees van Dongen, Youki Foujita, Mistinguett, u.a.

1927
Urlaub auf Hiddensee mit Besuch bei Gerhart Hauptmann. Ausstellung im eigenen Atelier: „Bildnisse und Aktaufnahmen“ mit Portraits von Elisabeth Bergner, dem Boxer Hans Breitensträter, Fritzi Massary, Fritz von Unruh, dem New Yorker Oberbürgermeister Jimmy Walker u.v.a.

Die Kunstsammlerin, Schriftstellerin und Amateurfotografin Thea Sternheim besucht das Atelier Riess.

1928
Alfred Flechtheim wird im Hotel Kaiserhof anlässlich seines 50. Geburtstag gefeiert.
Künstlerinnen, Künstler und Galeriefreunde widmen ihm eine Sonderausgabe des Querschnitt mit eigenen Text- und Bildbeiträgen, darunter auch die Riess mit ihrem Portrait des Galeristen.

Reise nach London. Ausstellung im eigenen Atelier: „Bilder einer Studienreise nach London“.

1929
Der italienische Theaterdichter Luigi Pirandello und die englische Schriftstellerin Vita Sackville-West sind u.a. bei der Riess zu Gast; Urlaub in Rapallo; Besuche bei Margarete und Gerhart Hauptmann und gemeinsame Ausflüge.

Reise nach Rom. Über Margherita Sarfatti, in Fragen des Kulturaustauschs offiziell Beauftragte und Geliebte des Duce sowie über die italienische Botschaft erhält die Riess einen Fototermin bei Mussolini; sie macht Portraits von Adligen und Politikern; die deutsche Botschaft im Vatikanstaat vermittelt bei dem Zusammentreffen mit den Kardinälen.

Ausstellung im eigenen Atelier: „Bildnisse von einer italienischen Reise“. Beteiligung an der ersten Station der Ausstellung „Fotografie der Gegenwart“ in Essen.

1930
Die Riess ist mit Hanns von Bleichröder, Prinz Wittgenstein, Richard Tauber, Brigitte Helm, Prof. Hugo Lederer, u.a. in der Jury zur Miss-Germany-Wahl im Hotel Kaiserhof.

Sie zeigt sich zusammen mit dem französischen Botschafter Pierre de Margerie auf dem Ball der
Baronin Goldschmidt-Rothschild.

Teilnahme mit Hugo Erfurth, Ewald Hoinkis, Helmar Lerski, Sasha Stone und Yva an der von Paul Westheim im
Reckendorf-Haus in Berlin veranstalteten Portrait-Ausstellung „Gezeichnet oder geknipst“.

1931
Im November verlässt Pierre de Margerie aus Altersgründen den diplomatischen Dienst und geht nach Paris zurück.

1932
Letzter Eintrag im Berliner Adressbuch: „Riess, F.G., Photographisches Atelier“.

Übersiedelung nach Paris.

Am 30. Januar Zusammentreffen mit Klaus Mann und Pierre de Margerie im Hotel Osborne, Paris.

Teilnahme an der „1° Biennale Internazionale D’Arte Fotografica Roma – Anno XI“ in Rom mit Abbildung des Hindenburg-Portraits im Katalog.

1933
Am 30. Januar Übergabe der Macht an die Nationalsozialisten. Im Ullstein-Magazin UHU wird unter dem Titel „Männer vor der Kamera“ das Mussolini-Portrait von „Frau Riess“ vorgestellt.

Die Riess verbringt den Osterurlaub in Rapallo und trifft wieder mit Hauptmanns zusammen. Sie überlässt dem Dichter zum Abschied ihre Ausgabe von Friedrich Nietzsches „Der Wille zur Macht“.

1935
Frieda Riess wohnt im Hotel Continental, in der Nähe der Tuilerien; auf Veranlassung von André Gide lädt sie Thea Sternheim zum Tee ein; an den Wänden hängen Portraits von Prominenten, darunter das Mussolini-Portrait mit Widmung.

1936
Die Riess wohnt in der Rue Raynouard. Besuch von Nele Benn, der Tochter Gottfried Benns. Eine Krankheit, die zu fortscheitenden Lähmungen führt, bestimmt ihre Lebensumstände.

1937
Besuch von Klaus Mann. Besuche von Pierre de Margerie und Zusammentreffen mit u.a. Max Ernst und seiner Frau Marie - Berthe Aurenche, Marc Chagall, dem Schriftsteller André Salmon, der Malerin Chiccio Haller-Trillhaase, dem Goldschmied Emil Lettré, der Schauspielerin Ida Maria Sachs, der Pianistin Blandine de Prevaux, Urenkelin von Franz Liszt, und Thea Sternheim: Gespräche über die politische Situation in Nazi-Deutschland und die Folgen für Juden und jüdische Emigranten in Frankreich.

1938
Laut Telefonbuch nennt sich die Riess jetzt „Riess de Belsine“.

1939
André Gide schlägt die Bitte um eine  Empfehlung zur Einbürgerung aus.
Thea Sternheim gibt der Riess ihr Roman-Manuskript „Sackgassen“ zu lesen.
Im Sommer Reise nach Monte Carlo. 

1940
Im Juni Einmarsch der Deutschen Truppen in Paris;

Am 7. Juni muss sich Thea Sternheim wie alle in Paris ansässigen deutschen Frauen zum Transport in ein Internierungslager (Gurs) im Velodrome d`Hiver einfinden; am 20. Oktober kehrt sie nach Paris zurück. Auf welche Weise sich Frieda Riess der Aufforderung zur Internierung entziehen kann, bleibt ungeklärt.

1941
Umzug an den Quai d’Orsay.

Die Riess kommt der Verordnung zur Anmeldung jüdischen Besitzes nicht nach. Mit dem Pseudonym Riess de Belsine versucht sie ihre jüdische Herkunft zu verschleiern. Pierre de Margerie sorgt für die Verlängerung der Identitätskarte und schickt zur Tarnung Dominikaner ins Haus.

1942
Thea Sternheim leiht sich von der Riess die Veröffentlichung „Der neue Staat und die Intellektuellen“ (1933) von Gottfried Benn, wegen der sie selbst, Klaus Mann, u. v. a. den Kontakt mit dem Dichter abgebrochen haben.

Tod von Pierre de Margerie. Die Riess verliert ihren langjährigen Begleiter, vor allem den Schutz vor Verfolgung als Jüdin. In Paris werden Juden jetzt systematisch verfolgt und deportiert. Ihr Gesundheitszustand verschlechtert sich zunehmend.

1943
Das Restvermögen von Frieda Riess bei der Dresdner Bank in Berlin wird beschlagnahmt.

1945
Zur Unterstützung der von Hunger gezeichneten Riess vermittelt Thea Sternheim den Kontakt zum Hilfskomitee für die Deportierten.

1947
Nach Jahren besucht Thea Sternheim noch einmal die Riess.

1953
Thea Sternheim schreibt dem Verleger von Gottfried Benn, Max Niedermayer, dass die Riess sehr gute Benn-Portraits gemacht hat, sie selbst aber keinen Kontakt mehr zu ihr habe.

1954 
Frieda Riess stirbt am 20. März in ihrer Wohnung am Quai d’Orsay 87 in Paris. Das Sterberegister des 7. Arrondissement verzeichnet sie als Frieda Béatrice Riess de Belsine

1957
Am 5.7. 1957 schreibt Thea Sternheim an Max Niedermayer, dass die Riess inzwischen gestorben ist und die vier Portraits von Gottfried Benn nun endgültig verloren sind.

Künstlerinnen P-T
Publikationen P-T
Ausstellung

DAS VERBORGENE MUSEUM zu Gast
in der BERLINISCHEN GALERIE
Landesmuseum für Moderne Kunst
Fotografie und Architektur

ERÖFFNUNG

Donnerstag, 05. Juni 2008 | 19 Uhr

Es sprechen
Prof. Jörn Merkert
Direktor der Berlinische Galerie

André Schmitz
Staatssekretär, Senatskanzlei - Kluturelle Angelegenheiten, Berlin

Elisabeth Moortgat
Das Verborgene Museum

Anschließend liest
Wolfgang Unterzaucher
Gedichte von Gottfried Benn

LAUFZEIT
06. Juni - 20. Oktober 2008

ÖFFNUNGSZEITEN

BERLINISCHE GALERIE
täglich ausser Dienstag 10-18 Uhr

Eintrittspreise
Tageskarte: 6,-- €, ermäßigt 3,-- €

Jeden ersten Monat im Monat 2,--€
Freier Eintritt bis 18 Jahre

VERANSTALTUNG

Lange Nacht der Museen 30.08.2008
geöffnet bis 2 Uhr

AusstellungsAdresse

BERLINISCHE GALERIE
Alte Jakobstarsse 124 - 128
10969 Berlin
URL: berlinischegalerie.de

Fon:  +49(0)30 78 902-600
Fax:  +49(0)30 78 902-700
eMail: bg@berlinischegalerie.de

Verkehrsanbindungen
U1 Hallesches Tor, U2 Spittelmarkt
U6 Kochstrasse | Hallesches Tor
U8 Moritzplatz
Busse M29, M41, 248

VERANSTALTER-STANDORT

DAS VERBORGENE MUSEUM
Schlüterstrasse 70
10625 Berlin-Charlottenburg

 

Einladungskarte zur Ausstellung

Flyer zur Ausstellung 

Publikation zur Ausstellung

DIE RIESS | Fotografisches Atelier und Salon in Berlin 1918-1932
Hrsg von Marion Beckers und Elisabeth Moortgat 256 S., 225 Abb. in Duoton, deutsch/englisch, Verlag Wasmuth
32,- € im Museum, ca. 39,80 € im Buchhandel 

Die Ausstellung wurde durch eine Zuwendung des HAUPTSTADTKULTURFONDS ermöglicht und unterstützt durch die Senatskanzlei — Kulturelle Angelegenheiten, Berlin: Künstlerinnenprogramm


STANDORT > ADRESSE

Der Verein DAS VERBORGENE MUSEUM | Dokumentation der Kunst von Frauen eV hat seine Tätigkeit seit dem 1. Januar 2022 eingestellt.

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STADTPLAN

siehe Kontakt

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+49 (0) 30 8613464

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