1924
Dorothy Bohm wird am 22. Juni in Königsberg, Ostpreussen, als Dorothea Israelit in eine gutbürgerlich liberale, jüdische Familie geboren. Ihr Vater Tobias Israelit ist Textil-Fabrikant; ihr Onkel, Dr. Sam Silbermann, ein Cousin des Vaters, ist Arzt und Geburtshelfer. Eva Silbermann, seine Frau, ist Kunsthistorikerin und vom Bauhaus inspirierte Photographin. Dorothy hat einen älteren Bruder und eine jüngere Schwester. Dorothy‘s Kindheit ist unbeschwert, neben dem Schulbesuch bereiten ihr besonders im Sport die Ballspiele Vergnügen. Angeregt durch sein Interesse an der Photographie kaufte sich Tobias Israelit Ende der zwanziger Jahren eine Leica.
1932
Wegen wirtschaftlicher und politischer Instabilität zieht die Familie in die seit 1919 litauisch gewordene Hafen-Stadt Memel (Klaipeda). Der Vater errichtet hier seine Fabrik - sowohl nach neuestem technischen Standard, als auch nach modernen sozialen Gesichtspunkten. Alle Bevölkerungsgruppen finden hier Beschäftigung: Deutsche, Litauer und Juden, je ein Drittel.
1933
Machtübergabe an die Nationalsozialisten in Deutschland. Die Deutschen beginnen im litauischen Memel für den Wiederanschluß zu agitieren.
1937
Erste Übergriffe von Seiten der Nazis auf die jüdische Bevölkerung in Schwarzort (Juodkrante) auf der Kurischen Nehrung. Die Machtbefugnisse der zählenmäßig überproportionalen deutschen Bevölkerung werden durch die Litauer eingeschränkt.
1938
Zum Jahresende erringen die Nationalsozialisten bei den Landtagswahlen in Memel eine große Stimmenanzahl; in der Folge wird die jüdische Bevölkerung schickaniert und verfolgt. Dorothy verweigert in der Schule den Hitlergruß, wird gerügt, der Vater nimmt sie darauf von der Schule.
1939
Anfang des Jahres schickt Tobias Israelit seine Familie nach Siauliai, die zweitgrößte Stadt Litauens, im Landesinneren gelegen. Auf Wunsch der Litauer Behörden bleibt er selbst noch in Memel. Am 22. März 1939 besetzt die deutsche Armee Memel. Israelit gelingt die Flucht zu seiner Familie nach Siauliai.
Tobias Israelit entscheidet, seine Tochter Dorothy umgehend nach England zu schicken, um sie vor Nazi-Gewalttaten zu schützen. Im Juni reist die knapp 15 jährige Dorothy mit dem Zug durch Deutschland nach England, wo persönlich-familiäre Kontakte bestanden; sein Sohn Igor geht bereits in der Industriestadt Manchester zur Schule, Dorothy kommt in eine Mädchenschule in Ditchling, Sussex, wo sie in Kürze ihre Englischkenntnisse perfektioniert.
1940
Sie beendet die Schule und entscheidet unter Zuspruch ihres Onkels Dr. Sam Silberman, der ohne seine Frau Eva (die nicht jüdischer Herkunft war) nach London emigriert war, das Photographieren zu erlernen. Die französisch-tschechische Photographin Germaine Kanova bietet ihr in London eine Anstellung als Assistentin an. Dorothy entschließt sich, als die Bombardements über London besonders heftig wurden, nach Manchester zu reisen, wo ihr Bruder Igor studiert. Hier besucht sie das College of Technology und studiert zwei Jahre Photographie.
An der Hochschule lernt sie Louis Bohm (1920-1994) kennen, wie sie jüdischer Abstammung, der gebürtig aus Polen, hier Chemie studiert. Sie befreunden sich und heiraten 1945.
1941
Durch Louis Bohm lernt sie die Malerin und Bildhauerin Marie Nordlinger (1876-1961) kennen, die seit 1899 mit Marcel Proust eine intensive Bekanntschaft pflegt und für ihn die Übersetzung von John Ruskins Buch “Die Bibel von Amiens“ ausgeführt hat. In ihrem Haus findet Dorothy eine neue Heimat, die ihre intellektuellen und künstlerischen Interessen anregt.
1942
Sie schließt ihr Photographie-Studium ab und findet im Atelier von Samuel Cooper eine Anstellung. Sie arbeitet in der Dunkelkammer, photographiert und retuschiert. Nach sechs Monaten wird sie erste Portraitphotographin des Ateliers.
Während der Kriegszeit spricht sie vor Bürgern, Militärs und Schülern unter dem Namen “Alexander“ im Auftrag des britischen Ministeriums für Information über die politische Situation unter den Nationalsozialisten.
1945
Sie heiratet Louis Bohm, der im Fach Chemie seine Promotion vorbereitet.
1946
Sie eröffnet ihr eigenes Atelier unter dem Namen “Studio Alexander“ in Manchester. Sie arbeitet mit einer Soho Reflex Plattenkamera.
Aufgrund der knapp bemessenen Photomaterialien und Chemikalien ist eine Unterstützung der Firma Kodak für das Studio eine große Hilfe.
1947
Das Atelier ist erfolgreich, so daß sie einer angestellten Managerin die Geschäfte überlassen kann, während sie selbst mit ihrem Mann ausgedehnte Reisen auf dem Kontinent unternimmt.
Sie ist zum ersten Mal in Paris (Hotel Metropolitan) und wird nun regelmäßig die Stadt besuchen und photographieren. Sie besucht die Schweiz, das Tessin und Ascona. Ihre Beschäftigung mit Stadt- und Landschaftsphotographie setzt ein.
1948
Reise nach Israel
1950
Dorothy und Louis Bohm werden in London ansässig.
1951
In Köln besucht sie die zweite Photokina und trifft dort mit dem Gründer Fritz L. Gruber und den Direktor der Zeitschrift “Photography Magazine“, London, Norman Hall, zusammen.
1954/55
Dorothy und Louis Bohm leben für knapp ein Jahr in Paris. Louis Bohm hat dort eine Anstellung: Sie wohnen zuerst im Hotel Metropol, dann mieten sie eine Wohnung in der Rue Lesueur, schließlich in der Rue Jacob.
1956
Sie sind in New York und San Francisco ansässig. Dorothy Bohm bereist die USA und besucht Mexiko.
Sie experimentiert zum ersten Mal mit Agfa Farbfilm. Besuch der von Edward Steichen konzipierten Ausstellung “The Family of Man“ im Museum of Modern Art in New York.
Übersiedlung nach London, wo Hampstead zum beständigen Wohnort wird.
1957
Geburt der Tochter Monica
1958
Sie löst ihr “Studio Alexander“ auf und arbeitet nur noch als freie Photographin, wobei sie sich auf die Themen: Straßenphotographie, Landschaft, Stillleben konzentriert.
1960
Geburt der Tochter Yvonne
1961
Reise in die UDSSR, wo sie in Moskau und Leningrad photographiert. Zusammentreffen mit den Eltern in Riga. Ihr Vater war 1940 – 1953 in Sibirien interniert, ebenso ihre Mutter und die jüngere Schwester, die in einem Frauenlager überlebten.
1963
Durch Vermittlung des späteren Präsidenten Harold Wilson gelingt es Dorothy Bohm ihre Eltern aus der Sowjetunion nach England zu holen. In Sussex kauft sie ein Haus, wo die ganze Familie häufig zusammenkommt. Hier entstehen zahlreiche Landschaftsaufnahmen.
1966
Ein Haus in Ligurien wird für die Familie zum Ferienort.
1969
Im Rahmen der Ausstellung “Four Photographers in Contrast“ im Institute of Contemporary Arts in London tritt Dorothy Bohm neben Don McCullin, Tony Ray-Jones, Enzo Ragazzini mit ihren Photographien unter dem Titel “People at Peace“ zum ersten Mal an die Öffentlichkeit.
1970
Es erscheint das erste Schwarzweiß Photobuch von Dorothy Bohm “A World Observed“, zu dem Roland Penrose, Ehemann der Photographin Lee Miller, das Vorwort verfaßt.
1971
Mit Sue Davies gründet sie die erste Photo-Galerie in Großbritannien, “The Photographers‘ Gallery“ in London und arbeitet dort 15 Jahre als Co-Direktorin. Hier begegnet sie namhaften Photographen mit denen sie Freundschaft pflegt: Manuel Álvarez Bravo, Bill Brandt, André Kertész, Josef Koudelka, Arnold Newman, George Rodger. Sie trifft auch Ansel Adams, Cecil Beaton, Izis, Edouard Boubat, Paul Caponigro, Ed van der Elsken, Ralph Gibson, Paul Strand.
1974
Sie besucht Süd-Afrika, die Aufnahmen der Reise werden in “The Photographers‘ Gallery“ ausgestellt.
1975
Dorothy Bohm bereist die skandinavischen Länder: Norwegen, Schweden, Dänemark.
1976
Aufnahmen aus London sind in Mailand in der Galerie Il Diaframma und in der Galerie Marjorie Neikrug in New York zu sehen.
1978/1979
Neben Brassai, Doisneau und Cartier-Bresson stellt Dorothy Bohm erstmals zwölf ihrer Paris-Aufnahmen in der Ausstellung “Paris Seen“ in der Graves Art Gallery in Sheffield aus. Und im Jahr darauf sind zehn Paris-Ansichten in der Ausstellung “Vintage Paris“ in der Hamilton Gallery in London zusammen mit Photographien von Atget, Ilse Bing, Boubat, Brandt, Brassai, Cartier-Bresson, Doisneau, Horvat, Riboud, Ronis und Sieff zu sehen.
1980
Dokumentation der BBC 2 “Dorothy Bohm – Photographer“.
Sie experimentiert mit der Farb-Photographie, auch mit der SX 70 Polaroid Kamera.
In New York besucht sie André Kertész und in Mexiko trifft sie den Photographen Manuel Álvarez Bravo
1981
Sie besucht Neu-Mexiko und Arizona, in Santa Fe Zusammentreffen mit dem amerikanischen Photographen
Paul Caponigro.
1984
Reise nach Ägypten, 1989 wird sie mit den Aufnahmen der Reise “Egypt“ ihr erstes Photobuch in Farbe veröffentlichen.
Sie besucht Singapur, Hongkong, Taiwan und Japan, wo sie auch den Farbfilm nutzt.
1985
Sie arbeitet ausschließlich mit Farb-Film, mit Kodak 200 Negativfilm.
1986
Retrospektive ihrer Schwarzweiß Photographien im Israel Museum in Jerusalem mit begleitender Publikation.
Erste Farbaufnahmen von Paris.
1987
Reise in die USA: Boston, Chicago und Kanada
1988
Sie erwirbt eine Wohnung im alten Viertel von Aix-en-Provence. Reisen durch Frankreich und Großbritannien.
1994
Louis Bohm stirbt infolge eines Schlaganfalls auf einer gemeinsamen Reise in Irland.
1995
Reisen nach Prag und Budapest. Mark Haworth-Booth, Kurator für Photographie im Victoria & Albert Museum, interviewt Bohm für sein Projekt: “The Oral History of British Photography“ für die British Library in London.
1996/1997
Die Ausstellung “Sixties London“, ausschließlich Schwarzweiß Aufnahmen – mit Katalog - findet im Museum of London unter Leitung von Norman Hall statt.
1998
Mit Helena Kovač gründet sie die Focus Gallery in London-Bloomsbury, die bis 2004 Ausstellungen mit Schwarzweiß- und Farb-Photographie zeigt.
1999
Reise nach Vilnius in Litauen und Minsk und Vitebsk in Russland. Retrospektive “Dorothy Bohm“ in der Focus Gallery in London.
2004
Reise nach Marokko
Ausstellung “A life in Photography“ zum 80sten Geburtstag in der Focus Gallery, London
2005
Schenkung von 156 Paris-Photographien an das Musée Carnavalet-Histoire de Paris, verbunden mit der Ausstellung
“Un Amour de Paris“.
2006
DAS VERBORGENE MUSEUM in Berlin eröffnet am 24. Mai in Anwesenheit von Dorothy Bohm mit einer Auswahl der Paris-Photographien die erste Ausstellung der Photographin in Deutschland.
2009
Bohm wird Ehrenmitglied in der Royal Photographic Society.
2013
Dorothy Bohm ist mit vier Photographien in der Ausstellung “Künstlerinnen im Dialog – Gemälde . Fotografien . Skulpturen“, DAS VERBORGENE MUSEUM, Berlin, beteiligt.
2023
Dorothy Bohm stirbt am 15. März kurz vor ihrem 100sten Geburtstag in London
ERÖFFNUNG
24. Mai 2006 19 Uhr
Es sprechen
Elisabeth Moortgat, Das Verborgene Museum
Dr. Thomas Flierl, Senator für Wissenschaft,
Forschung und Kultur
Chantal Colleu-Dumond, Botschaftsrätin für Kultur,
Französische Botschaft
Francoise Reynaud, Kuratorin, Musée Carnavalet - Histoire de Paris
Die Fotografin Dorothy Bohm ist anwesend
LAUFZEIT
25. Mai 2006 - 09. Juli 2006
ÖFFNUNGSZEITEN
Do - Fr 15 - 19 Uhr | Sa - So 12 - 16 Uhr
STANDORT > ADRESSE
Der Verein DAS VERBORGENE MUSEUM | Dokumentation der Kunst von Frauen eV
hat seine Tätigkeit seit dem 01.Januar 2022 eingestellt
mehr erfahren Sie hier
Bildzitate | Ausstellung Dorothy Bohm | 25. Mai 2006 - 09. Juli 2006
Einladungskarte zur Ausstellung
AKTUELLE RUFNUMMER
+49 (0) 30 861 34 64
MAIL > ADRESSE
Zur Ausstellung liegt die Publikation
"Un Amour de Paris - Photographies des Dorothy Bohm" mit Beiträgen von Mark Haworth-Booth, Lynne Woolfson und Françoise Reynaud in franz. u. engl. Sprache vor. 152 S., Paris-Musée, Paris 2005, Preis 34,- €.
Mit Unterstützung
Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Berlin
Kulturaustausch und Künstlerinnenprogramm, Senatskanzlei Berlin
Musée Carnavalet - Histoire de Paris