OLGA DESMOND
Die Desmond tanzte nicht nur barfuss, sie tanzte nackt. Und das bedeutete für die prüde preußische Presse zur Zeit Kaiser Wilhelms II. einen Skandal. Schon Auftritte ohne Schuhe galten im Wilhelminismus als anstößig und unkünstlerisch; daran konnten auch die sensationellen Auftritte der weltweit bekannten Barfuss-Tänzerin Isadora Duncan nichts ändern. Um gesellschaftliche Konventionen aber wollte sich die Desmond nicht kümmern.
Olga Desmond (1890-1964), als Olga Antonie Sellin in Ostpreußen geboren, erlernte die Schauspielerei in Berlin und verdiente sich nebenbei ihr Geld, indem sie Künstlern, u.a. Lovis Corinth, Modell stand. 1906 schloss sie sich der Artistengruppe The Seldoms an und trat während eines längeren Aufenthalts in London in sogenannten plastischen Darstellungen als Venus auf. Es folgten Auftritte in Berlin, wieder mit dem Partner Adolf Salge von den Seldoms. Ihre tänzerischen Darbietungen entwickelte sie zu ausgewählten Kompositionen aus klassischen Posen verbunden mit pantomimischen Gesten, einem zeittypischen Merkmal im damals neuen Tanz. Zusammen mit Karl Vanselow, dem Herausgeber des Lifestylmagazins der Jahrhundertwende "Die Schönheit", kreierte sie für die "Vereinigung für ideale Kultur" die "Schönheit-Abende" mit Auftritten in Berlin und St. Petersburg, Dresden, Leipzig, Breslau. Sie propagiert mit ihrem Tanz das Verständnis einer modernen Körperkultur und will zugleich eine gesunde Lebensweise anregen. Sie tanzt nackt, verzichtet auf das hautfarbene Trikot, durch Spezialschminke erhält ihr Körper ein makelloses Aussehen. Der Tanzkritiker Fritz Böhme erkennt in ihren Tänzen sogar den Ausdruck einer "neue Weltanschauung".
Der Skandal ließ nicht lange auf sich warten: die Auftritte im Wintergarten wurden im Januar 1909 Anlass zu Auseinandersetzungen im Preußischen Landtag, die "Schönheit-Abende" wurden verboten.
Die Desmond trat nun - angepasst an die Zensur in Schleier und durchsichtiger Gaze - im Varieté auf, kassierte Höchstgagen und wurde international gefeiert, aber sie selbst stellten diese Auftritte vor allem künstlerisch nicht zufrieden. "Was ich im Varieté bieten kann, ist nur ein Halbes, das mein künstlerisches Fühlen nicht befriedigt... Ich sehne mich zurück nach den intimen Abenden im Mozartsaal, wo ich ärmer, aber glücklich war."
Während des Ersten Weltkriegs beginnt sie auch für den Film zu arbeiten. In vielen - heute verschollenen - Stummfilmen war sie zu sehen, u.a. mit dem Filmpartner Hans Albers.
Olga Desmond entwickelt 1919 eine Tanznotenschrift, die "Rhythmographik" und verdient ihr Geld auch mit Tanzunterricht. Die Tänzerin Hertha Feist, später Mitarbeiterin des Tanzreformers Rudolf von Laban, ist eine ihrer Schülerinnen; sie selbst zählt nun mehr und mehr zu den konservativen, stillen Vertreterinnen der Tanzkunst und bleibt dennoch international eine gefragte Protagonistin.
Bald nach dem Auftreten der Nationalsozialisten erfolgt der Boykott gegen das Bühnenausstattungsgeschäft ihres Mannes, des jüdischen Unternehmers Georg Piek. Olga Desmond selbst stößt mit ihrem Tanzverständnis auf Ablehnung. Sie gerät in Vergessenheit und stirbt 1964 in Berlin.
Olga Desmond, die "Duse der Grazie und Tanzkunst", die mit ihrem Nackttanz im Wintergarten in Berlin 1908/1909 einen Skandal provozierte, wird zum ersten Mal in einer Ausstellung mit Fotografien (u.a. von Otto Skowraneck, Julius Staudt, Nicola Perscheid, A. Binder, Ernst Schneider, G. Gerlach) und Dokumenten präsentiert.
Opening
25. März 2009 | 19 Uhr
Speakers
Jörn E. Runge
Autor der Biografie und Kurator
Duration
26. März 2009 - 29. Mai 2009
Thursday, Friday 15 - 19 Uhr
Saturday, Sunday 12 - 16 Uhr
The Museum is only open during the exhibition period !!
location > address
DAS VERBORGENE MUSEUM
Schlüterstrasse 70
10625 Berlin-Charlottenburg
traffic connection
S-Bahn Savignyplatz
U-Bahn Ernst-Reuter-Platz
Bus M49, X34, 101
citymap
phone
+49 (0) 30 313 36 56
MAIL ADDRESS
Picture Quotes | Exhibition Olga Desmond
The Exhibition book
Zur Ausstellung erscheint eine Monografie von Jörn E. Runge: Olga Desmond - Preußens nackte Venus, 180 S., ca.70 Abb.,
Steffen Verlag, Friedland 2009, 19,95 €