RÉ SOUPAULT (1901-1996)
Photographien aus Paris 1934-1938
„Bei Itten habe ich Sehen gelernt“ – bringt die Photographin und Modeschöpferin Ré Soupault den Unterricht im Vorkurs am Bauhaus in Weimar auf einen kurzen Nenner und beschreibt damit zugleich aus eigener Anschauung, was in den theoretischen Texten der Zeit unter dem Schlagwort vom “Neuen Sehen“ zur Maxime der künstlerischen Photographie geworden ist.
1901 als Erna Niemeyer im pommerschen Kolberg geboren, hatte sie schon im Schulunterricht vom „Bauhaus-Manifest“ des Architekten Walter Gropius gehört, aber noch nicht wissen können, daß Bauhaus und Bauhäusler ihren Lebensweg entscheidend bestimmen sollten: Sie stud9ierte von 1921 bis 1925 am Bauhaus in Weimar zuerst bei Johannes Itten, später bei Oskar Schlemmer, Wassily Kandinsky und Paul Klee und hatte zwischendurch als Assistentin von Viking Eggeling in Berlin bei der Fertigstellung seines Films „Diagonal-Symphonie“ auch die avantgardistischen Filmtechniken kennengelernt.
Nach Schließung des Bauhauses Weimar 1925 ging sie nach Berlin, weil sie im Scherl Verlag, dem seinerzeit zweitgrößten Verlagshaus neben Ullstein als freie Mitarbeiterin mit regelmäßigen Beiträgen ihren Lebensunterhalt verdienen konnte – sie entwarf und zeichnete Schnitte für das kleine Portemonnaie für die Wochenschrift „Sport im Bild“, eine Illustrierte für Sport, Gesellschaft und Theater.
Inzwischen mit dem Filmemacher Hans Richter verheiratet, fand sie 1929 in Paris, wo sie das Modestudio „Ré-Sport“ eröffnet hatte, vor allem im Kreis der Künstler im legendären „Café du Dôme“ mit Man Ray, Kiki, Foujita, Giacometti, Léger, Kertész und vielen anderen anregenden Austausch.
Aus der Bekanntschaft mit dem Schriftsteller und Journalisten Philippe Soupault im Jahr 1933 – er war ein Mitinitiator der Dada- und Surrealismus-Bewegung in Paris wird eine lebenslange Verbindung. Philippe Soupault arbeitete damals hauptsächlich für die Tageszeitungen „Excelsior“ und „Le Petit Parisien“. Beide zusammen entwickeln sehr bald die Idee zu gemeinsamer Tätigkeit: Ré kauft sich eine 6 x 6cm Rolleiflex und von nun an machen sie die Reportage-Reisen zusammen, nach Dänemark, Finnland, Deutschland, Spanien, Tunesien und Amerika.
Aber auch in Paris machten sie gemeinsam Text- und Bild-Reportagen zu alltäglichen sozialen und politischen Themen. In den dreißiger Jahren, aus denen auch die Aufnahmen in der Ausstellung stammen, richtete sich Ré Soupault eine eigene Dunkelkammer ein und begann auch mit anderen Kameras wie zum Beispiel mit dem typischen Apparat der Photo-Reporter, der handlichen „schnellen“ Leica zu arbeiten. Ihre Photographien leben von der Dynamik der zeittypischen Perspektiven wie sie das „Neue Sehen“ propagiert hat, ohne in einer Formelhaftigkeit zu erstarren. Immer dominiert das Sujet – meist ohne „Randerscheinungen“ im Leben des großen Paris – die ästhetisch-gestalterischen Komponenten wie Auf- oder Untersichten, lange Schatten oder harte Kontraste aus Schwarz und Weiß. Manchmal verleiht Ré Soupault durch die Wahl ihres Blickwinkels ganz normalen Ereignissen den Anstrich des Komischen. Welches Verhältnis zum Menschen sie beim Photographieren geleitet hat, machen besonders ihre Aufnahmen von Frauen aus dem „Quartier réservé“ in Tunis deutlich, die als Alleinstehende, von der mohammedanischen Gesellschaft verstoßen, in diesem Viertel ihr Leben zu fristen hatten und vielleicht einzig in diesen Photographien als eigenständige Personen wahrgenommen werden.
1942 mußte Ré Soupault vor den Deutschen unter Zurücklassung allen Besitzes – auch der Kamera, den Negativen, den Photographien – aus Tunis über Algier nach Amerika fliehen, von wo sie erst 1950 wieder nach Paris zurückkehrte. Seitdem photographierte sie nicht mehr, sondern lebte von Literatur-Übersetzungen, veröffentlichte selbsterfundene Märchen und schrieb Radio-Essays.
Am 12. März 1996 ist Ré Soupault mit 95 Jahren in Paris gestorben.
ERÖFFNUNG
Mittwoch, 15. Mai 1996 | 19 h
Einführung
Manfred Metzner
Verlag: Das Wunderhorn
LAUFZEIT
16. Mai -30.Juni 1996
ÖFFNUNGSZEITEN
Mi - Fr 15 - 19 h | Sa - So 12- 16 h
VERANSTALTUNGSORT
Dokumentation der Kunst von Frauen e.V.
Schlüterstr. 70
10625 Berlin-Charlottenburg
Bildzitate | Ausstellung RÉ SOUPAULT (1901-1996) | Photographien aus Paris 1934-1938 | 16. 05.1996 - 30.06.1996
Das Wunderhorn erhältlich:
Ré Soupault - Paris 1934- 1938.
Heidelberg 1994 (48 .- DM).
Ré Soupault - Eine Frau allein gehört allen. Heidelberg 1988 (36.- DM).
Die Ausstellung hat Manfred Metzner
vom Verlag Das Wunderhorn zusammengestellt.
Für die finanzielle Unterstützung danken wir dem Beirat des KÜNSTLERINNEN PROGRAMMS
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