14. July 1994 - 28. August 1994

HELEN ERNST 1904 -1948

Berlin . Amsterdam . Ravensbrück

Stationen einer antifaschistischen Künstlerin

Ein Anlass der Künstlerin Helen Ernst 1994 zu gedenken wäre ihr neunzigster Geburtstag. Die Widerstandskämpferin Helen Ernst, am 10. März 1904 geboren, führte in den zwanziger Jahren zunächst ein für die damalige jüngere europäische Künstlerinnengeneration typisches Leben. So heißt es in einem von ihr mitgestalteten Heft der Zeitschrift „Fontana Martina“ aus dem Jahre 1931: „Sie muß ihr Talent, kaum entwickelt, auch schon praktisch verwertet.

“Sie arbeitete als Presse- und Modezeichnerin, als Modepädagogin und Modedesignerin. Ende der zwanziger Jahre hatte sie es satt, „ausschließlich zur Belustigung der besseren Gesellschaft“ tätig zu sein, wie sie später schrieb. Sie teilte nunmehr das Credo vieler kritischer Künstlerinnen in der Weimarer Republik – „Der Platz des Künstlers ist Seite an Seite der werktätigen Lohnarbeiter, als deren Lehrer und Erzieher“ (Fontana Martina) – und begann, sich künstlerisch, sozial und politisch zu engagieren – in der KPD und dieser nahestehenden Organisationen.

Hier bürgerliches Leben, Mode, Eleganz, Kostüm- und Künstlerfeste, Ausstellungen, Theater- und Konzertbesuche, Kino und Nachtleben, dort Arbeiterelend, politische Agitation, Straßenkämpfe, geheime Treffen, Unterbringung von politisch Verfolgten – Helen Ernst lebte in beiden Welten.

Nach der Machtübertragung an Hitler und die Nationalsozialisten wurde sie verhaftet. 1934 emigrierte sie in die Niederlande, wo sie sich publizistisch und künstlerisch am Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligte. Zudem berichtete sie einer deutschen Widerstandsgruppe in Paris über Leben und Opposition in Deutschland. Sie verlor ihre deutsche Staatsbürgerschaft. Nach der Besetzung der Niederlande durch die deutschen Truppen 1940 wurde sie wegen „antideutscher Hetzpropaganda“ verhaftet und wenige Monate später als politischer Häftling in das Frauen-KZ Ravensbrück gebracht.
Lebend, aber krank dem Nationalsozialismus entronnen, war sie in der SBZ Verdächtigungen, Nachforschungen und Maßregelungen ihrer alten Gesinnungsgenossinnen und genossen ausgesetzt. Weil sie im KZ als Individuum und nicht als organisierte Widerstandkämpferin zu überleben versucht hatte, wurde sie des Konformismus verdächtigt und beschuldigt. Spät – zu spät für sie – kam ihre Rehabilitierung. Sie starb an den physischen und psychischen Folgen einer fast fünfjährigen KZ-Haft: Tbc-krank, körperlich und seelisch erschöpft, Opfer des NS-Terrors und später der Denunziation durch Mithäftlinge am Karfreitag des Jahres 1948.

In den Bruchstücken ihres erhaltenen Œuvres finden sich Milieu-Schilderungen der Hinterhof- und Arbeiterwelt, Kneipenszenen, Kriegsversehrte, Arbeitslose. Helen Ernst kennt die Kunst von Käthe Kollwitz, George Grosz, Otto Dix. Als die Künstlerin in Amsterdam Modefigurinnen entwirft und später einen differenzierten und komplexen Unterricht erteilt, in dem sie Mode als Teil der Kunst vermittelt, fordern mehr und mehr dunkle Bilder Raum: ihre schrecklichen Erfahrungen 1933 in den Frauengefängnissen von Berlin und Kiel, Demütigungen in einem menschenverachtenden, vernichtenden System.

Zusammen mit der Schriftstellerin Eva Raedt-de Canter entsteht der Roman „Vrouwengevangenis“, für den Helen Ernst acht ganzseitige und zwanzig kleine Zeichnungen angefertigt hat – eine authentische Schilderung des Gefängnisterrors unter der Nazidiktatur. Künstlerisch bedeutend ist für sie auch ihre Begegnung mit Carl Meffert (Clément Moreau), mit dem sie 1931 einige Monate in der von Fritz Jordi gegründeten Künstlerkolonie „Fontana Martina“ in Ronco am Lago Maggiore war. Für die gleichnamige Zeitschrift machte sie Linolschnitte, in denen sich die divergierenden Sphären des phantastisch Verspielten und des humanitären Engagements verbinden. Helen Ernsts Werk zeigt exemplarisch die Zerrissenheit einer Zeit des Aufbruchs und der Zerstörung.

Die Ausstellung ist entlang den wichtigsten Stationen des Lebensweges von Helen Ernst konzipiert. Die detaillierte Biographie, wie sie Katalog und Ausstellung nun öffentlich machen, ist das Ergebnis der Nachforschungen des Bibliothekars Hans Hübner. Nach Berlin wird sie im Herbst in erweiterter Form in Amsterdam im „Verzetsmuseum“ (Widerstandsmuseum) zu sehen sein.

Biografie
Publikation
Künstlerinnen  A - E


ERÖFFNUNG
Mittwoch | 13. Juli 1994 | 19 h

ES SPRECHEN
Ulrich Roloff-Momin
Senator für Kulturelle Angelegenheiten

Gisela Breitling
"Kunst und Leben in der Zerreißprobe"

Hans Hübner
"Auf den Spuren von Helen Ernst"
 
LAUFZEIT
14. Juli - 28. August 1994

ÖFFNUNGSZEITEN
Do - Fr 15 - 19 h | Sa - So 12- 16 h
 

VORTRAG | Di. 19. Juli 1994 | 20 h
Dr. Christl Wickert, Berlin
„Frauen im Konzentrationslager“
  
LESUNG | Do, 28. Juli 1994 | 20 h
Ingrid Kaehler liest
"Das Höllentor" - Bericht einer Überlebenden
von Anja Lundholm 

VIDEOFILME (1993) von Loretta Walz
"Esther Bejarano" und "Sophie Wittich"
mit ihren Berichten über die Haft in den 
Konzentrationslagern Auschwitz und Ravensbrück 
werden zu den Öffnungszeiten in der
laufenden Ausstellung gezeigt.


VERANSTALTUNGSORT
DAS VERBORGENE MUSEUM
Dokumentation der Kunst von Frauen e.V.
Schlüterstr. 70
10625 Berlin-Charlottenburg 
 
 
EINLADUNGSKARTE  zur Ausstellung
 

AKTUELLE Rufnummer
+49 (0) 30 861 34 64 

MAIL>ADRESSE | weiterhin aktuell
 

STADTPLAN

 

Eine Ausstellung des Vereins zum Studium Sozialer Bewegungen e.V. (VSSB)
und des DAS VERBORGENE MUSEUM:

Für finanzielle Unterstützung danken wir der Kultusministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern, der Stiftung Kulturfonds und der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten: AG Frauen


STANDORT > ADRESSE

Der Verein DAS VERBORGENE MUSEUM | Dokumentation der Kunst von Frauen eV
hat seine Tätigkeit seit dem 1. Januar 2022 eingestellt.

mehr erfahren Sie hier:

 

 

Zurück