07. March 1991 - 28. April 1991

LUCY HILLEBRAND

Raum Spiel - Spiel Räume

Zum ersten Mal hat DAS VERBORGENE MUSEUM 1989/90 Arbeiten von Architektinnen gezeigt:
„Finnische Architektinnen 1890-1957“. Mit der Werkpräsentation von Arbeiten der deutschen Architektin Lucy Hillebrand wird die Reihe der Ausstellungen von Architektinnen mit einer prominenten Vertreterin fortgesetzt.

„Entschieden zurückzuweisen ist die Ansicht, daß die Außenarchitektur Aufgabe des Mannes bleiben müsse, während die Frau sich auf die Heimgestaltung beschränken soll. 

Es ist nicht einzusehen, 
1. Warum die weibliche (!) Architektin‘ deshalb keine Häuser bauen soll, weil der ‚Herr Architekt‘ das ‚wahrscheinlich ebenso gut‘ kann und insbesondere,
2. Daß er es ‚sogar besser kann‘.

Wir arbeiten auf einer Ebene, wo es nicht mehr entscheidend ist, ob Mann oder Frau hinter der Arbeit steht, sondern wo die künstlerische Fähigkeit und das räumlich-plastische Denkvermögen die Leistung bestimmt.“ (Lucy Hillebrand, Göttinger Tageblatt, 20.7.1938)

LUCY HILLEBRAND gehört zu den wenigen Architektinnen der modernen Architektur in Deutschland, die dem Prozeß des völligen Vergessen-werdens nicht anheim gefallen ist. Sie wurde 1906 in Mainz geboren und hat Mitte der 1920er Jahre ihren Berufswunsch verwirklicht und Architektur studiert. Sie war in Köln Meisterschülerin bei dem Kirchenbaumeister Dominikus Böhm und gehört in Deutschland zu den Pionierinnen ihres Faches. 

Nach dem Studium 1927 ist sie jüngstes Mitglied im Deutschen Werkbund und nimmt an Aktionen und Ausstellungen des Bundes „Das Neue Frankfurt“ teil. Beide Organisationen sind bekannt für das Eintreten und die Entwicklung eines modernen, menschengerechten Wohnungs- und Städtebaus.

Im Kontakt und in Zusammenarbeit beispielsweise mit dem Merz-Künstler Kurt Schwitters und dem Stadtbaurat Ernst May hat sie ihre Ideen um eine angemessene Lebensumfeldgestaltung entwickelt und bezieht diese Erfahrungen in ihre planerische Arbeit ein.

In den Jahren 1934-1945 erfährt Lucy Hillebrand entscheidende Arbeitseinschränkungen ihrer „funktionalen“ Architektur. Nach 1945 entwickelt sie weiter in Kooperation mit Fachleuten anderer Disziplinen (Soziologen, Pädagogen, Psychologen) eigene Grundformen für Wohnungs- und Schulbau.

Ihre eigentümliche, unverwechselbare Architektursprache ist theoretisch und im Entwurfsprozeß zwar im Entwicklungsrahmen der klassischen Moderne der zwanziger Jahre angesiedelt, im Kern allerdings verdankt sie sich einer ganz individuellen Entwurfsmethodik, sie selbst bezeichnet diese als „Raum-Schrift“. Hier finden wir ein Charakteristikum ihrer Arbeit: Architekturformen sind ihrer Definition nach Raumerfahrungen durch die Bewegungsabläufe der Menschen, die systematisierbar und in Diagrammen darstellbar sind. Diese jedoch variieren je nach Bauaufgabe und gewinnen dadurch Variabilität und Vielschichtigkeit. Der Baukörper wird dementsprechend außerhalb ästhetischer Ordnungsmuster projektiert.

Lucy Hillebrand hat diesen Ansatz aus dem „tänzerischen Raum-greifen“ und dessen spielerischer „Raum-aneignung“ entwickelt und dieser Ansatz bildet die Grundlage der darauf folgenden analytischen Phase der Raumuntersuchungen, der Konkretion von Haus und Stadtstrukturen. Architektur wird derart als Prozeß nicht nur als Ergebnis definiert. Dieses Verständnis hat die Architektin in ihre Architekturpädagogik einfließen lassen und vielfach publiziert. Lucy Hillebrand ist Architekturtheoretikerin und –praktikerin in einer Person, die ihr Ziel folgendermaßen umrissen hat: „Ich sehe mein Aufgabengebiet darin, Grundformen des Bauens zu finden, die dem Inhalt unserer heutigen Bauaufgaben wahrhaft entsprechen …“

In dieser Form-Inhalt-Relation offenbart sie sich als entschiedene Gegnerin einer postmodernen Fassadenkosmetik und hat in ihren Arbeiten, die in der Fülle erst nach 1945 entstanden sind einen gangbaren, heute viel diskutierten Weg des Modernitätsgedankens in öffentlichen und privaten Bauprojekten aufgezeigt. Ihre dezidiert vorgetragene Auffassung, daß Architektur erst jenseits der „Diktatur des Eindeutigen (Symmetrie etc), des Schemas oder Rezeptes“ entstehe, mag einen Zug von Weiblichkeit offenbaren, um den in der heutigen Architekturdebatte vielfach gerungen wird, dem auf die Spur zu kommen jedoch ebenso heikel ist, wie jener „Heimat“ des Philosophen Ernst Bloch, in der, wie er schrieb „noch niemand war“, und deshalb niemand wisse, wie sie beschaffen ist.

Lucy Hillebrand ist eine der wenigen deutschen Architektinnen, die in häufiger Teilnahme an öffentlichen Wettbewerben zeichnet: Schul- und Jugendhaus-Bauten, Kirchen und Krankenhäuser, aber auch im privaten Wohnungsbau beständig tätig ist.  

Die Arbeiten von Lucy Hillebrand – Prof. Heinrich Klotz hat einen umfangreichen Teil in das Architekturmuseum Frankfurt am Main eingeworben – werden nun in einem repräsentativen Überblick (Architekturpläne, Zeichnungen, Photographien, Modelle und Videofilme zur Arbeitsweise) erstmals in Berlin zu sehen sein und sollen Themenschwerpunkte der Besonderheit ihrer Architekturkonzeption vorstellen.

Biografie  
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Künstlerinnen Übersicht 

Eröffnung

Mittwoch, 06. März 1991 

Zum 85. Geburtstag
in Anwesenheit der Architektin
Lucy Hillebrand.

Ulrich Roloff-Momin, Begrüssung
Senator für Kulturelle Angelegenheiten

Karin Wilhelm, Porträt Lucy Hillebrand

Barbara Heller, »Solo für Violine« 
komponiert für und vorgetragen von Marianne Böttcher

Hannah Höch, Die Revue.
Eine Reise mit Kurt Schwitters
vorgetragen von Claudia Jacobshagen

Violetta Dinescu, »Satyua 1« für Violine Solo
Marianne Böttcher - Violine

Barbara Heller, »Schmetterlinge« 
Bettina Wickihalder - Flöte
Claudia Hohn - Klarinette

Laufzeit

07. März – 28. April 1991

Öffnungszeiten

Donnerstag,  Freitag 15  -  19 Uhr
Samstag, Sonntag 12  -  16 Uhr

Adresse

DAS VERBORGENE MUSEUM
Schlüterstrasse 70
10625 Berlin-Charlottenburg

Podiumsgespräch

Mittwoch, 17. April 1991 | 19 Uhr
»Der noch nicht definierte öffentliche Raum«

mit Lucy Hillebrand 
Kristin Feireiss - Galerie Aedes
Ingrid Krau - Stadtplanerin

Karin Wilhelm, Moderation
Prof. für Kunstgeschichte  

 


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