KÜNSTLERINNEN IM DIALOG 4
Der deutsch-lettische Maler Johann Walter-Kurau, der ab 1906 in Dresden und von 1917 bis 1932 in Berlin eine Malschule geführt hat, war bei den Malerinnen besonders beliebt, weil er sie auf dem schwierigen Weg der Professionalisierung unterstützt hat. Noch waren sie auf den teuren, privaten Kunstunterricht angewiesen, weil der Zugang zu den Kunst-Akademien für Frauen in Deutschland bis zur Gründung der Weimarer Republik 1919 verschlossen war. Die Studenten konnten an Wettbewerben teilnehmen, Stipendien beantragen, Studienaufenthalte im Ausland wahrnehmen und sich um Auszeichnungen bewerben. Diese Chancen hatten die Studentinnen der privaten Malschulen nicht. Sie waren auf finanzielle Unterstützung der Eltern, auf Erbschaften oder auf Nebentätigkeiten wie das erniedrigende Modellstehen angewiesen.
Neben Landschaften und Portraits von Else Lohmann (1897-1984), Minna Köhler-Roeber (1883-1957), Ilse Heller-Lazard (1884-1934), Elisabeth von Schulz (1884-1968) und Bettina Encke von Arnim (1895-1971), die alle für eine bestimmte Zeit bei Johann Walter-Kurau in Dresden bzw. in Berlin studiert haben, werden Gemälde von Käthe Loewenthal (1878-1942), Augusta von Zitzewitz (1880-1960), Else Hertzer (1884-1978), Martel Schwichtenberg (1896-1945), Grethe Jürgens (1899-1981) u.a. gezeigt.
In visuellem Kontrast zu diesen bunt-farbigen Malereien stehen die Schwarz-Weiß-Fotografien sogenannter Poupée-Portraits der aus Smolensk stammenden Malerin Marie Vassilieff (1884-1957), die in Paris von ihren Freunden, u.a. von Blaise Cendrars, Picasso, Paul Poiret, Alfred Flechtheim karikierend überzogene Puppen hergestellt hat.
Auf gemeinsamen Ausflügen in die Natur mit dem Lehrer Walter-Kurau stand das Üben in freier Landschaft im Wechsel der Lichtverhältnisse im Zentrum des Unterrichts. Die Ansichten wechseln von erhöhtem Standpunkt mit Blick auf Täler und Seen zu Nahbildern auf Baumgruppen und blühende Blumen. Aus dieser plein-air Situation erklärt sich auch das kleine Bildformat des Kartons von kaum 25x30 cm, der mit Reißzwecken am Deckel des hölzernen Malkastens befestigt war.
Der persönlichen Farb- und Lichttheorie des Lehrers stehen die Arbeiten von Elisabeth von Schulz und Minna Köhler-Roeber nahe, während sich Bettine von Arnim und Ilse Heller-Lazard zunehmend von der impressionistischen Sehweise gelöst haben. Von dem Lehrer-Vorbild hat sich Else Lohmann in den Berliner Jahren zwischen 1917-1921 am weitesten entfernt.
Hier entstehen die in geometrische Formen aufgelösten Landschaften unter expressionistischem Einfluss: Rote Dächer in die Fläche gekippt beherrschen zusammen mit den von der Sonne beleuchteten Berghängen die sommerliche Atmosphäre.
Die Formen und die Farben ihrer Landschaften werden kontrastreicher, manchmal sogar aggressiv. Und es entstehen Bildnisse im Format bis zu 90x80 cm. Deutlich ist in ihrem Portrait der Malerin Margarete Schall der Duktus der Neuen Sachlichkeit zu erkennen, wie wir ihn von den großflächigen Künstler- und Selbstportraits ihrer Malerkollegen Christian Schad oder Otto Dix kennen.
Anders als in Deutschland hatten Künstlerinnen in Frankreich bereits Ende des 19. Jahrhunderts Zugang zur staatlichen École des Beaux Arts und besuchten auch die zahlreichen privaten Lehranstalten. Beispielsweise Marie Vassilieff, die 1905 aus Smolensk nach Paris kam, besuchte zuerst die Académie la Palette, danach die Académie Matisse, bevor sie 1910 ihre eigene Académie Russe/Vassilieff gründete.
Neben ihrer Malerei vom Kubismus und Konstruktivismus beeinflussten Malerei beschäftigte sie sich nach dem Ersten Weltkrieg auch mit den von ihr selbst so genannten Poupée-Portraits, grotesken Puppen und Marionetten, sowie Kopf- und Ganzkörperskulpturen von Prominenten, gefertigt aus Leder, Metall, Stoffen und Lumpen, Knöpfen, Glasperlen, Drähten, Federn.
Die zu dieser Zeit in Europa verbreitete Begeisterung für afrikanische Masken, die »art négre«, und für die Kunst Ozeaniens mit den ausdrucksstarken Physiognomien hat sie begeistert aufgegriffen. Ihre unglaubliche Finger-Fertigkeit, die individuellen Details akribisch genau zu erfassen, machen die Bildnisse zu kunstvollen Skulpturen und für die Portraitierten gleichsam zu Kultobjekten. 1922/23 stellte der Modemacher Paul Poiret, bekannt für seine vom Zwang zum Korsett befreiten Modeentwürfe für Frauen, Marie Vassilieff seine Galerie »Chez Martine« für eine Einzelausstellung mit Gemälden und den sensationellen Poupée-Portraits zur Verfügung. Neben Poiret als Ganzfigur, nackt mit Feigenblatt und der Malerin Marie Laurencin auf dem Arm, waren unter vielen anderen Puppen von Leo Trotzki, Matisse und Picasso zu sehen. Die Ausstellung wurde zu einem sensationellen Erfolg.
Eine Auswahl der Fotografien, die Vassilieff von den Puppen von Pierre Delbo hat machen lassen, u.a. von Jeanne Duc, Jean Borlin, Rolf de Maré, Paul Poiret und Alfred Flechtheim, werden in der Ausstellung zu sehen sein.
Künstlerinnen
Lou Albert-Lasard, Grete Csaki-Copony, Bettina Encke, von Arnim, Jacoba van Heemskerck, Ilse Heller-Lazard, Else Hertzer Grethe Jürgens, Minna Köhler-Roeber, Lotte Laserstein, Lou Loeber, Käthe Loewenthal, Else Lohmann, Elfriede Lohse-Wächtler, Gertraud Rostosky, Elisabeth von Schulz, Martel Schwichtenberg, Suzanne Valadon, Marie Vassilieff, Augusta von Zitzewitz
ERÖFFNUNG
Mittwoch, 10. April 2019 | 19 Uhr
Es sprechen
Elisabeth Moortgat
Das Verborgene Museum
Einführung
LAUFZEIT
11. April 2019 - 11. August 2019
ÖFFNUNGSZEITEN
Donnerstag, Freitag 15 - 19 Uhr
Samstag, Sonntag 12 - 16 Uhr
Das Museum ist nur zu den angeführten Zeiten während der Laufzeit geöffnet
STANDORT > ADRESSE
Der Verein DAS VERBORGENE MUSEUM | Dokumentation der Kunst von Frauen eV
hat seine Tätigkeit seit dem 1. Januar 2022 eingestellt. Lesen Sie bitte in der Hauptspalte links weiter.
STADTPLAN
siehe Kontakt
Bildzitate | Ausstellung | Künstlerinnen im Dialog 4 | 11. April 2019 - 11. August 2019
Flyer zur Ausstellung